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ZWICKAU: JOSEPH SÜSS von Detlev Glanert

21.11.2013 | KRITIKEN, Oper

Zwickau: „JOSEPH SÜSS“ –  von Detlev Glanert – 20. 11. 2013

 Nachdem Detlev Glanerts Oper bereits an sechs Bühnen des Westens reüssierte, fand sie nunmehr  den Weg in den Osten. Dabei fällt es schwer, den Zufall zu bemühen, wenn ihr nunmehr das Theater Zwickau-Plauen Heimstatt gewährte, war es doch die Geburtsstadt  Schumanns, die im Zusammenhang mit den Mordanschlägen des NSU in den Fokus der Medien geriet. So dünkt es nur folgerichtig, dass die Premiere während der vom Zwickauer Bündnis für Demokratie und Toleranz ins Leben gerufenen Veranstaltungsreihe „Novembertage/SpurenSuchen in Zwickau“ stattfand und mithin nachdrücklich belegte, wie engagiert sich fortschrittliche Theaterleute in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen unserer Zeit einbringen und unmissverständlich Stellung beziehen.

 Glanerts auf Feuchtwanger (Stück und Roman) basierende Oper führt beklemmend vor Augen, wie ein Gemeinwesen sich der Lösung ihm immanenter Probleme verweigert und für deren Auswüchse den Fremden, Andersartigen, Andersgläubigen verantwortlich sein lässt. Man scheut vor der eigenen Verantwortung zurück und lässt den Außenseiter büßen. Schon bei Lessing, in dessen Jugendtagen der Schauprozess gegen Süß stattfand, heißt es: „Der Jude wird verbrannt.“ Nach Studium des die Konflikte gleich einem Brennglas komprimiert auf den Punkt bringenden, literarisch anspruchsvollen Librettos von Werner Fritsch und Uta Ackermann entschied sich der Komponist für eine Art Kammerorchester, das Barockes heraufbeschwört und gleichzeitig auf die Situation der Klangkörper des Dritten Reiches verweist, die nach der Vertreibung ihrer jüdischen Mitglieder förmlich „ausgedünnt“ waren und erst allmählich mittels „reinstämmiger“ Musikanten zum einstigen Personalbestand zurückfanden. Zu welch frappierenden Klangbildern Glanert diese „Selbstbeschränkung“ animiert, erstaunt allemal. Da attackiert der Meister im Tutti das Ohr des Besuchers bis an die Schmerzgrenze, spielt er gekonnt ironisierend mit barocken Zitaten und verweigert sich keinesfalls lyrischen Passagen von eigenartiger Schönheit. Dies alles stellte das Philharmonische Orchester des Hauses vor eine Herausforderung sondergleichen, die es unter der anfeuernden, die komplizierte Partitur quasi aus dem FF beherrschenden Leitung von Lutz de Veer bravourös bewältigte. Lediglich in Bezug auf die Lautstärke könnte da noch einiges behufs der Textverständlichkeit ausgefeilt werden. Dies u. U. voraussehend, hatte man dankenswerterweise  die Dienste der Übertitel in Anspruch genommen. Von diesen profitierte gleichermaßen der von Friedemann Schulz bestechend vorbereitete Chor, der auch darstellerisch nicht den geringsten Anlass zu Klagen gab.

 Uneingeschränkt im Sinne Glanerts entschied sich Regisseur Thilo Reinhardt, vorbehaltlos assistiert von Andreas Auerbach (Bühne) und Luisa Lange (Kostüme), gegen eine vordergründige  Aktualisierung in Form einer Bebilderung der NSU-Morde, strebte eine der Historie verpflichtete Deutung an, die somit desto nachdrücklicher auf äußerst bedenkliche Parallelen zum Hier und Heute hinweist. Insgesamt glückte ihm eine Inszenierung von praller Sinnlichkeit, die selbst im karikierenden Detail nie die Tragik des Geschehens nivelliert und einem durch die Bank engagierten Ensemble wesentliche Impulse verdankte.

 So gab der nach längerer Erkrankung glücklicherweise wieder über sein vormaliges baritonales Potential verfügende Shin Taniguchi einen in jeder Phase seiner Bühnenpräsenz fesselnden Titelhelden, den er als janusköpfiges Kind seiner Zeit anlegte, das als Verführer und Verführter schließlich einem neid- und hasserfüllten Mob den Blutzoll entrichten muss. Das schleimig Opportunistische des Weissensee wurde von Markus Ahme dezent ins Bild gesetzt, wobei freilich vermerkt sei, dass die gleißnerische Grelle eines Charaktertenors den Vertreter der Landstände akustisch noch deutlicher profiliert hätte als Ahmes eher zum Heldischen tendierenden stimmlichen Mittel. Einen optisch als Potenzprotz ohne Abstriche imposanten Herzog stellte Tobias Pfülb auf die Bretter. Dieser Mann geht über Leichen. Das kam stimmlich durchaus über die Rampe, könnte aber noch differenzierter aufgefasst werden. Angenehm zurückhaltend war Hinrich Horn in der Partie des Rabbiners Magus zu erleben. Dessen Zögling Naemi, die Tochter von Joseph Süß, zeichnete Nathalie Senf mit ihrem klangschönen Mezzo überaus berührend. In der vom Komponisten mit etlichen Tücken versehenen Rolle der Magdalena behauptete sich Sarah Tuleweit. Den mit Koloraturen gespickten, ironisch angelegten Part der Sängerin Graziella versah Chrissa Maliamani mit dem erforderlichen Quantum an Selbstverleugnung. Tilman Rau ergänzte als Henker/Haushofmeister/Richter.

 Lang anhaltender Beifall bezeugte, dass zeitgenössische Oper, so sie dem Auditorium etwas  vermittelt und von den Verantwortlichen mit Engagement dargeboten wird, das Publikum zweifelsohne zu begeistern vermag.

  Joachim Weise

 

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