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ZÜRICH/ Theater im Seefeld: CRISPINO E LA COMARE von Luigi Ricci / Federico Ricci / Emmanuel Siffert. Premiere

Der Schuhmacher und die Fee: Melodien ohne Ende

Luigi Ricci / Federico Ricci / Emmanuel Siffert: Crispino e la comare, Theater im Seefeld, Zürich, Premiere: 04.10.2020

 Der Schuhmacher und die Fee: Melodien ohne Ende

Uraufgeführt 1850 in Venedig, Libretto von Francesco Maria Piave, bereits 1865 in New York gezeigt.

Es könnte gut und gern von einer Oper Giuseppe Verdis die Rede sein, es geht aber um die Oper „Crispino und die Gevatterin“ der Gebrüder Ricci, ein „libretto fantastico-giocoso in tre atti“. Bruno Rauch, Intendant der Free Oper Company, hat mit seiner Wahl einmal mehr sicheres Gespür für die Perlen abseits des gängigen Repertoires unserer Breitengrade bewiesen.

„Das Bessere ist der Feind des Guten“ und so konnte sich „Crispino“ trotz erfolgreicher Uraufführung am 28. Februar 1850 am Teatro San Benedetto und rascher, noch im gleichen Frühling erfolgter, Übernahme nach Mailand ans Teatro Re nur bedingt durchsetzen. In den folgenden Jahren wurde das Stück an alle wichtigen italienischen Häusern gespielt – mit Ausnahme der Scala, wo es bis heute nicht zu sehen war. 1857 bereits am St. James Theatre in London gezeigt, war für die Rezeption im Ausland die Einstudierung von 1865 am Théâtre Italienne in Paris entscheidend. Bemerkenswerten Erfolg hatte „Crispino“ in Amerika: 1865 erstmals an der Brooklyn Academy of Music gezeigt, war es 1866 bis 1870 das Schlachtross der Amerika-Tournee des Baritons Giorgio Ronconi. 1908 gehörte es zu den Stücken, mit denen Oscar Hammerstein I. mit seiner Manhattan Opera erfolgreich die Metropolitan Opera konkurrenzierte. 1919 gab die deutsche Sopranistin als Annetta ihren Abschied an der Metropolitan Opera und 1989 gehörte die Arie „Io non sono piu Annetta“ zum Programm des Abschieds der grossen Joan Sutherland von der Metropolitan Opera.

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Foto: © Ingo Hoehn

Im Theater im Seefeld wird die Kammermusikfassung des Schweizer Dirigenten Emmanuel Siffert gezeigt. Die Einrichtung und Bearbeitung, Regie, Bühne und Dramaturgie hat Bruno Rauch besorgt.

Im Konzept Rauchs, das vor Corona entstand, spielt die Oper in einer nicht näher bestimmten Gegenwart in einer Klinik. Dort ist das ganze Personal mit der Herstellung von Theriak, einem seit der Antike bekannten und bis in die Gegenwart verwendeten Wunderheilmittel beschäftigt.

In diesem Umfeld laufen nun die operntypischen Verwicklungen ab: Professor Asdrubale, der Klinik-Patron alter Schule, begehrt Lisetta, Tochter eines verstorbenen Kollegen, die ihrerseits den Assistenzarzt Ernesto liebt. Crispino, der Raumpfleger der Klinik, träumt von einem besseren Leben und wird von allen ausgelacht und verspottet. Selbst seiner Frau Annetta macht Asdrubale Avancen.

Seit Wochen ist Lisetta krank uns so unterhält sich Asdrubale, der seine Mitgift in Gefahr sieht, mit Doktor Fabrizio über ihren Gesundheitsstand.

Crispino versucht seinem Leben ein Ende zu setzen, wird aber von einer weiblichen Stimme, die ihm verspricht ein berühmter Arzt zu werden, davon abgehalten. In Zukunft werde er, Crispino kennen, ob der Patient sterbe, wenn sie, Comare Donna Giusta am Krankenbett stehe, oder nicht. Bevor sie verschwindet erhält Crispino einen Koffer voll Geld von ihr. Mit Müh und Not gelingt es Crispino seine Gattin von der neuen Situation zu überzeugen.

Die Ärzte machen sich natürlich über Crispino, seinen neue Mut und sein goldenes Praxisschuld lustig – bis er Bortolo, einen Pfleger der Klinik, der auf dem Arbeitsweg mit dem Mofa verunfallt ist, heilt.


Foto: © Ingo Hoehn

Crispinos Erfolg nährt die Eifersucht der Ärzte. Mit Hilfe des Arztes Fabrizio, dem er einen Teil der Mitgift versprechen muss, lässt Ernesto seiner Geliebten Lisetta einen Brief zukommen. Doktor Mirabolano kommt hinzu und nun wird zu dritt über die Behandlung des Grafen Pandolfetti gestritten. Crispinos Selbstbewusstsein und so behandelt er nun Lisetta, der die Ärzte keine Chancen mehr einräumen – natürlich erfolgreich. Ein andrer werde aber sterben: Donna Giusta erscheint hinter Don Asdrubale. Die Trauer um Asdrubale hält sich in Grenzen – Crispino wird gefeiert. Mit seiner Frau gerät allerdings wegen deren Gehabe als Frau Doktor aneinander. Als er erschöpft niedersinkt und bewusstlos wird, sucht ihn Comare Donna Giusta auf und zeigt Crispino sein Lebenslicht, das am Verlöschen ist. Crispino wird nun klar, wer die Gevatterin Donna Giusta ist. Verzweifelt gelingt es Crispino Donna Giusta zu überzeugen, er werde in Zukunft ein guter Ehemann und lieber Vater sein. Er darf ins Leben zurückkehren.


Foto: © Ingo Hoehn

„Crispino e la comare“ begeistert mit einer Fülle an Melodien, mit Opern-Musik, die an Donizetti oder den jungen Verdi erinnern, und in ihrer Einfachheit schlicht gefallen.

Das Orchester der Free Oper Company unter Leitung von Davide Fior setzt die mitreissende Musik der Gebrüder Ricci schlicht genial um.

Peter Kubik begeistert als Crispino Tacchetto mit einem wunderbar kräftigen Tenor. Sara-Bigna Janett gibt seine Gattin Annetta und ist die Entdeckung des Abends: ein glockenheller, technisch perfekter geführter Sopran, der erahnen lässt, wieso die Arie „Io non sono piu Annetta“ zum Paradestück grosser Sängerinnen wurde. Mit enormer Bühnenpräsenz verkörpert Lisa May La comare Donna Giusta. Livio Schmid nennt einen veritablen Tenore di Grazia sein eigen und überzeugt auch mit dem eingeschobenen „Prendi, l’anel ti dono“ aus Bellinis Sonnambula. Tobias Wurmehl ist mit seinem Kavaliersbariton ein markanter Klinikchef und Vorgesetzter der Ärzte Fabrizio (Andrejs Krutojs) und Mirabolano (Gergely Kereszturi). Alicia Martinez ist sein Mündel Lisetta, Timothy Löw der Krankenpfleger Bortolo. Mirjam Fässler, Johanna Kulke, Jonah Schenkel, Michael Schwarze und Arthur Baldensperger ergänzen das junge, vielversprechende Ensemble.

Grosser Applaus: ABSOLUTE EMPFEHLUNG!

Weitere Aufführungen:

Sonntag, 11. Oktober 2020. 17:00 Uhr; Freitag, 16. Oktober 2020. 19:00 Uhr;

Sonntag, 18. Oktober 2020, 17:00 Uhr; Freitag, 23. Oktober 2020, 19:00 Uhr;

Sonntag, 25. Oktober 2020, 17:00 Uhr.

05.10.2020, Jan Krobot/Zürich

 

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