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ZÜRICH: TANNHÄUSER. Wiederaufnahme

Zurück!Nicht ihr seid seine Richter!

24.03.2019 | Allgemein, Oper


Tanja Ariane Baumgartner (Venus), Stephen Gould (Tannhäuser). Foto: T+T Fotografie Toni Suter

Zürich: Tannhäuser – Wiederaufnahme am 23. März 2019

Zurück!Nicht ihr seid seine Richter!

Die Wiederaufnahme der Produktion von Regisseur Harry Kupfer (Bühnenbild: Hans Schavernoch) aus dem Jahr 2011 wirkt heutzutage wohl doch ein bisschen „altmodisch“. Die Gleichstellung Tannhäusers mit Jimi Hendrix (Attribut Elektrogitarre!) wirkt an den Haaren herbeigezogen. Bei einem Venusberg in einer Nervenklinik mit abweisenden Glaswänden kann wohl kaum Erotik aufkommen. Allerdings ist das voll ausgetanzte Bacchanal nicht von „schlechten Eltern“. Der hier gespielte Venusberg in der von Wagner gegenüber der Dresdner Fassung vollkommen überarbeiteten Partie der Venus hat eine neue Gunst-Königin erhalten, nämlich die vielerorts bereits hoch gehandelte Tanja Ariane Baumgartner, die eine gesanglich souveräne und darstellerisch attraktive Liebesgöttin auf die Bühne stellte. Da muss man nirgends um irgendwelche Töne bangen, alles kommt sicher und die Höhe ist fulminant. Es scheint mir, dass der schön timbrierte Mezzo der Sängerin nach oben tendiert. Als ihren Partner holte man den international renommierten Tannhäuser nämlich Stephen Gould an das Opernhaus Zürich. Nach Peter Seiffert, der vor acht Jahren die Premiere sang, ist wohl kaum ein Wagner-Sänger unterwegs, der diese höchst anspruchsvolle Partie dermassen gesanglich sicher und souverän singt. Da sind alle Töne da, da werden die für die Partie in der Übergangslage meist am diffizilsten geschriebenen Passagen („Erbarm Dich mein!“) gemeistert, ohne dass der Sänger sich irgendwie besonders anstrengen und dazu zwingen müsste. Stephen Gould ist wirklich einer aus seltenen Garde der genuinen Heldentenöre à la Melchior. Mit ihm allerdings verbindet ihn auch eine eher mässig zu nennende Darstellungskunst und Gould wirkt nun als Tannhäuser manchmal etwas gar brav. Aber anyhow, seine gesangliche Leistung ist überwältigend. Das konnte man leider von Stephan Genz als Wolfram nicht behaupten. Genz litt offenbar unter einer Allergie, was seine stimmliche Leistung auf ein Minimum reduzierte. Auch von der Ausstrahlung her wirkt er wie ein verdrückter Bürolist. Schade, denn gerade von ihm hätten wir uns mehr erwartet.

Die weiteren Mitstreiter waren ordentlich besetzt: Iain Milne als zuverlässiger Walther von de Vogelweide, Ruben Drole als leider chargierender Biterolf, Martin Zysset und Stanislav Vorobyov als Heinrich der Schreiber respektive Reinmar von Zweter. Eine erfreuliche Begegnung gab’s mit dem Landgrafen in der Person von Mika Kares, der einen gepflegt singenden Fürsten – deutliche Diktion bei gutem Legato in der Ansprache – verkörperte.


Lise Davidsen (Elisabeth), Stephen Gould (Tannhäuser). Foto: T+T Fotografie Toni Suter

Das Hauptinteresse aber galt der jungen Lise Davidsen, die ja dieses Jahr in Bayreuth in der Neuproduktion des Tannhäuser die Elisabeth singen wird. Hier bekamen wir einen „Vorgeschmack“ dieser bereits ins Hochdramatische tendierende Sopranistin. Im eher kleinen Zürcher Opernhaus wirkt ihre gross dimensionierte Stimme manchmal fast zu laut. Bei der Hallenarie war sie wohl etwas nervös und pushte ihre stimmlichen Mittel, sodass sich ein schnelles Vibrato einstellte, das sich aber im Verlaufe des Abends verlor. Das „Zurück! Nicht ihr seid seine Richter!“ war fulminant! Lise Davidsen verfügt aber auch über innige Töne – damit hatte ja ihre Agathe vor drei Jahren hier in Zürich überzeugt -, die sie in ihrer Fürsprache für Tannhäuser voll zur Wirkung bringen konnte. Im Gebet gab sie bei den hohen Tönen etwas zu viel „Gas“. So bewundern wir diese unglaublich echt dramatische Stimme, freuen uns aber auch über die leisen, innigen Töne, die diese junge Norwegerin (schon wieder eine Stimme aus dem Norden für Wagner!) auch produzieren kann. Wir sind gespannt auf ihren weiteren Karriereverlauf. Hoffentlich lässt sie sich nicht verheizen! – Sen Guo war wiederum ein glockenrein singender Hirtenknabe und die vier Edelknaben (Jacqueline Nussbaum, Rebecca Zöller, Alice Gilfry und Alisa Davidson) sangen ihr „Stanzl“ intonationsrein.

Der Chor des Opernhauses (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) war gut bei Stimme und krönte den Einzug der Gäste mit einem perfekten hohen Schlusston. Leider befand sich die Philharmonia an diesem Abend nicht auf dem Bestleistungsstand. Irgendwie eignet sich auch die Wagner’sche Orchestrierung nicht für das Opernhaus Zürich; zu sehr ist die Balance gestört und das dauernd klanglich übermächtig hervortretende Blech kann einen ganz schön nerven. Axel Kober, ein erfahrener Wagnerdirigent, führte zwar ohne Spannungsabfall durch die Partitur der sog. Wiener Fassung 1875, aber zu viel an Lyrismen blieb auf der Strecke.

Im grossen Ganzen aber war es ein gelungener, manchmal etwas gar lauter Wagner-Abend, zumal es auf der sängerischen Seite nicht viel zu meckern gab, im Gegenteil!

John H. Mueller     

 

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