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ZÜRICH: SALOME – Wiederaufnahme mit Nina Stemme als hinreissender Salome

20.04.2014 | KRITIKEN, Oper

Zürich: SALOME – 19.4.2014  – Wiederaufnahme

Nina Stemme als hinreissende Salome

Die 2010 noch in der Ära Pereira von Sven-Eric Bechtolf im Bühnenbild von Rolf Glittenberg aus der Taufe gehobene Inszenierung wurde nun höchst sorgfältig vorbereitet und in einer neuen Besetzung präsentiert. Da ist zuerst einmal der wunderbare lyrische Tenor von Benjamin Bernheim als schwärmerischer Narraboth, der auch in der Darstellung gute Figur macht. Offenbar nicht ihren besten Tag hatte Anna Goryachova als Page, die streckenweise nahezu unhörbar blieb. Und dann trat Nina Stemme als Salome auf! Zuerst in ihren Burnus gehüllt, zeigt sie sich dann als Vollweib und vermag das Silber-Pailleten glänzende Kleid (Kostüme: Marianne Glittenberg) gut zu tragen. Nach ein paar Tönen ist die Stemme voll da und singt eine Salome, wie man sie in den letzten zwanzig Jahren wohl nirgendwo mehr so hinreissend gehört hat. Da blüht die Stimme auf und offenbart wohl, dass Nina Stemme die noch grössere Strauss-Sängerin ist, als sie es schon als fabelhafte Wagner-Sängerin ist. Strauss bringt ihre Stimme zu einem wunderbaren, obertonreichen Strahlen und zu einer Brillanz, die sich wunderbar in den orchestralen Orient-Teppich der Strauss‘schen Partitur einbettet. Nina Stemme verfügt  nicht nur über die strahlende Höhe, die an die von Birgit Nilsson erinnert, sondern auch über eine warme Mittellage, die schlank und flexibel geführt wird. Und dann vermag sie inmitten des Strauss‘schen Orchester-Apparates und nach Fortissimo-Tönen immer noch ein perfekt gestütztes Piano, sogar Pianissimo zu produzieren, wie zum Beispiel bei …“so keusch wie der Mond“. Es ist einfach fabelhaft, einer solchen Stimme schon mal rein zuzuhören und sich von ihr verführen zu lassen. Nina Stemme hat auch für die Darstellung der Salome eine gute Lösung gefunden. Weder hüpft sie als Teenager über die Bühne, noch dräut sie als Hochdramatische ihrem Gegenüber. Sie ist eine Salome, eine Prinzessin weniger als trotziges Kind, sondern eine willensstarke junge Frau, die sich gegen ihre Eltern durchsetzt. Wunderbar im Schlussgesang, wo sich, nach dem Kuss, wie verwandelt, ihre Züge aufhellen und sie nochmals einen neuen Klang findet, da sie jetzt um das Geheimnis der Liebe weiss. Dass sie dann – wie Carmen – dem Pagen ins offene Messer läuft, ist nur die richtige Konsequenz ihres Lebens, nämlich nur der Tod kann ihr Erlösung bringen. Ein grossartiges Porträt einer grossartigen Sängerin! – Hervorragend gedoubelt im Tanz der sieben Schleier war Nina Stemme durch Silvia Schori, die einen verführerischen orientalischen Tanz hinlegte. Als Jochanaan hörten wir in Zürich zum ersten Mal den russischen Bariton Evgeny Nikitin, der über einen erstaunlich helltimbrierten Bariton verfügt. Er singt die heikle Partie mit nie versiegendem Ton in Höhe, Mittellage und Tiefe und zudem in fabelhafter deutscher Diktion. Darstellerisch bleibt er in konventioneller Haltung, wenn auch überzeugend. Als Herodes war für den krankheitshalber ausfallenden Rudolf Schasching der scharf artikulierende  Wolfgang Ablinger-Sperrhacke kurzfristig eingesprungen, der einen verängstigten, von bösen Träumen gequälten Tetrarchen darstellte.  Er fügte sich hervorragend in die hoch qualifizierte Regie von Sven-Erich Bechtolf ein, sodass er überhaupt nicht als Fremdkörper wirkte. Als seine Gemahlin brachte Hanna Schwarz ihre höchst persönlich gefärbte Interpretation der neurotischen Herodias ein. Sie ist eine elegante, aber doch gezeichnete Frau, quasi die nicht erlöste, alt gewordene Doppelgängerin ihrer Tochter Salome. Auch stimmlich bot Hanna Schwarz nach wie vor Hochkarätiges. Sehr gut war das Juden-Quintett – bekanntlich sehr schwer zu singen – besetzt. Alle Stimmen waren gut aufeinander abgestimmt und so bildeten sie ein homogenes Ensemble. Die Namen der Sänger: Dmitry Ivanchey, Kristofer Lundin, Andreas Winkler, Roberto Ortiz und Reinhard Mayr. Auch gut besetzt die beiden Nazarener mit Tomasz Slawinski und Kresimir Strazanac , ebenso die beiden Soldaten Valeriy Murga und Alexei Botnarciuc, auch der Cappadozier Christoph Filler fiel nicht ab.  

Zu ganz grosser Form lief die Philharmonia Zürich unter dem energischen Dirigat von Alain Altinoglu auf, der eine sowohl in den flirrenden Farben des Strauss’schen Orchesterkolorits als auch in der expressionistischen Durchführung und dem klang-dramaturgischen Aufbau voll überzeugen konnte. Was für eine herrliche Partitur hat uns doch der bajuwarische Meister hinterlassen, aus deren Tantiemen er sich ja die Garmischer Villa leisten konnte. Wie sympathisch!

John H. Mueller     

 

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