Bryn Terfel. Bildrechte: Monika Rittershaus
Zürich: Opernhaus – Stephen Sondheim: «Sweeney Todd» – Bryn Terfel, Angelika Kirchschlager – Andreas Homoki (Inszenierung) – Philharmonia Zürich, David Charles Abell (Leitung) – Premiere: 09.12.18
Die Veroperung des Sweeney Todd
Immer wieder wagen sich Theater mit «regulärem» ernsthaftem Opernbetrieb an die vermeintlich leichtere Sparte des Musicals. Jüngstes Beispiel dafür ist Andreas Homoki, der sich am Opernhaus Zürich mit hochkarätigem Sängerensemble an Stephen Sondheims Musical Thriller «Sweeney Todd». Er inszeniert die Geschichte aus dem schwärzesten London als traditionell stilisierter in dunklen Farben gehaltenen düsteren Bilderbogen (Gesamtausstattung: Michael Levine) in wunderbaren, detailgetreuen Kostümen (Annemarie Woods). Dabei will der erhoffte Grusel jedoch nicht richtig aufkommen, trotz der recht ansprechenden Lichtgestaltung von Franck Evin. Zu schön, zu ästhetisch ist das alles, selbst dann, wenn es von der Handlung her so richtig zur Sache gehen könnte.
Auch musikalisch fehlt der Aufführung des öfteren der ironische Biss. David Charles Abell scheint das Stück vom «Makel» des Musicals befreien zu wollen und versucht, das Ganze nach grosser Oper klingen zu lassen. Das geht auf Kosten des Schwungs, auch der musikalische Witz und Pfiff des Stücks bleiben zuweilen auf der Strecke. Die Philharmonia Zürich spielt zuverlässig, der Chor der Oper Zürich zeigt sich spiel- und sangesfreudig.
Bryn Terfel (Sweeney Todd), Angelika Kirchschlager als Mrs. Lovett. Bildrechte: Monika Rittershaus
Bryn Terfel beeindruckt mit rabenschwarzer Stimme als Titelheld, in der Darstellung fällt jedoch auf, dass dem grossartigen Sänger der Fliegende Holländer näher steht als der mörderische Barbier – und das ist auch gut so. Brindley Sherrat gefällt als Sweeneys Gegenspieler Judge Turpin, Cheyne Davidson gibt sein gefälliges Rollendebüt als Jonas Fogg. Bezaubernd sind Elliot Madore und Mélissa Petit als das junge Liebespaar Anthony Hope und Johanna. Barry Banks begeistert mit strahlendem Gesang und witziger Darstellung als Pirelli, den die Ehre ereilt, das erste Opfer des «Demon Barbers of Fleet Street» zu werden. Stimmgewaltig und ausdrucksstark ist auch Liliana Nikiteanu als Beggar Woman zu erleben. Jugendlich frisch, sowohl im Gesang als auch im Spiel, präsentiert sich Spencer Lang als Tobias Rogg. Highlight in jeder Beziehung ist jedoch Angelika Kirchschlager als Mrs. Lovett. Sie verleiht der Figur den keifenden Biss, den diese Partie eben ausmacht. Frau Kirchschlager scheint jeden Moment in dieser Rolle zu geniessen und kann dabei ihr komödiantisches Talent voll und ganz ausleben.
Liliana Nikiteanu (Beggar Woman). Bildrechte: Monika Rittershaus
Grosser, verdienter Applaus für die Sängerinnen und Sänger. Keine Buhs für das Regieteam – warum auch? Die Regie geht bei «Sweeney Todd» keine Risiken ein und liefert einen gefälligen Theaterabend für die ganze Familie – eigentlich schade.
Michael Hug