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ZÜRICH/ Opernhaus: L’INCORONAZIONE DI POPPEA von Claudio Monteverdi

Claudio Monteverdi: L’incoronazione di Poppea • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 22.09.2021

 (4. Vorstellung • Wiederaufnahme am 14.09.2021)

 Bestes Brecht’sches Theater

Endlich wieder Oper, wie man sie aus der Zeit vor Corona kennt. Das Orchester im Graben, keine gesperrten Sitze, Pausen, Pausengastronomie… Als erste Wiederaufnahme der Saison zeigt das Opernhaus Zürich Calixto Bieitos Inszenierung von Monteverdis «L’incoronazione di Poppea», deren Generalprobe im Rahmen von «Saisoneröffnung für alle» öffentlich zugänglich war.

L'incoronazione di Poppea
Foto © Monika Rittershaus

Bieitos Inszenierung überzeugt mit ihrer «brutalen», bedingungslosen Modernität und den dadurch zur Musik geschaffenen enormen Kontrasten, die die Figuren letztendlich so nah wie in kaum einer anderen Oper werden lassen. Der Laufsteg und die seitlichen Bildschirme, bei Bieito Metapher für den grenzenlosen medialen Exhibitionismus der Gegenwart, schaffen zudem eine Nähe zu den Sängern, die einem Haus dieser Grösse sonst nicht erreicht werden kann. So wird die dekadente Gesellschaft Poppeas, werden die von persönlichem Ehrgeiz getriebenen Figuren, die Sexualität hemmungslos als Machtinstrument einsetzen, beängstigend gegenwärtig. Auf dem kreisförmigen Laufsteg sind die Figuren völlig ausgestellt: es gibt keine Privatheit, keine Geheimnisse, den die permanente Selbstdarstellung der Figuren über die Live-Kameras, auf die sie zugehen, mit denen sie spielen und die sie benutzen, zeigen alles. Die Figuren unterwerfen sich freiwillig einer 24 Stunden-Überwachung, gegen die sie, wenn sie erzwungen wäre, heftigst opponieren würden. Genau das Paradox der Gegenwart mit ihren «sozialen» Medien. Bieito macht bestes Brecht’sches Theater: Es soll nicht romantisch geglotzt, sondern nachgedacht werden. Und das macht den Abend intensiv. Höchst intensiv.

Das luxuriös mit unter Anderen Dulzian, Zinken, Theorbe und Erzlaute besetzte Orchestra La Scintilla unter musikalischer Leitung von Ottavio Dantone spielt die Partitur schlicht grossartig. Dantone wählt rasche Tempi und entlockt dem Orchester einen wunderbar farbenfrohen, manchmal fast romantischen Klang. Die Positionierung des Orchesters inmitten des Kreises des Laufsteg kommt dem Klang ausserordentlich zugute.

Dem Opernhaus Zürich ist es gelungen ein Ensemble von Weltklasse zu versammeln, das nicht nur stimmlich, sondern genauso in der bedingungslosen Umsetzung des Regiekonzepts restlos überzeugt. Eine so geschlossene, intensive Ensembleleistung ist nur ganz selten zu erleben. Die drei Götter des Prologs, die den ganzen Abend über immer wieder auf der Bühne vertreten sind, werden von Jake Arditti (Countertenor; Amore / 1. Famigliare), Sandra Hamaoui (Fortuna / Damigella) und Hamida Kristoffersen (La Virtù) gegeben. Der Countertenor (Mezzosopran) David Hansen als Nero ist schlicht eine Idealbesetzung. Mit unendlichen Farben und gewaltiger Bühnenpräsenz verkörpert er Nero so, wie Monteverdi ihn sich gedacht haben könnte. Die Mezzosopranistin Emily D’Angelo gibt eine bissig-intrigante Ottavia. Julie Fuchs als Poppea ist eine weitere Idealbesetzung. Stimmlich wie darstellerisch erfüllt sie alle Facetten der Figur. Delphine Galou gibt einen intensiv leidenden Ottone, Deanna Breiwick ist ihr beim erfolglosen Mordversuch als Drusilla behilflich. Miklos Sebestyén gibt mit seinem herrlichen Bass-Bariton einen Seneca von grosser Würde. Manuel Nuñez Camelino als Nutrice, Emiliano Gonzalez Toro als Arnalta, Bożena Bujnicka als Valletto

Thomas Erlank als Lucano, Primo Soldato, 2. Famigliare, Andrew Moore als Littore, 3. Famigliare und Andrei Skliarenko als Liberto, Secondo Soldato ergänzen das hervorragende Ensemble aufs Beste.

Bieito macht bestes Brecht’sches Theater: Ein überragender Abend!

Weitere Aufführungen: 26.09.2021, 14.00 und 29.09.2021, 19.30.

23.09.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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