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ZÜRICH/Opernhaus: Liederabend SABINE DEVIEILHE / BENJAMIN BERNHEIM-DAS GROSSE MUSIKFESTIVAL ZUM ABSCHLUSS DER SAISON

Mit Verdi-Uraufführung

07.07.2020 | Konzert/Liederabende, Oper

Opernhaus Zürich, Finale: Das grosse Musikfestival zum Abschluss der Saison 2019/20

Liederabend Sabine Devieilhe & Benjamin Bernheim, Opernhaus Zürich, 06.07.2020

 Verdi-Uraufführung

 Der zweite Abend des Finale wurde, so Intendant Homoki in der Begrüssung, von den zwei gegenwärtig grössten Stars der französischen Oper bestritten: Sabine Devieilhe und Benjamin Bernheim, am Klavier auf Händen getragen von Carrie-Ann Matheson.

Devieilhe begann das Programm mit den „Ariettes oubliées“ (1. C’est l’extase langoureuse, 2. Il pleure dans mon cœur, 3. L’ombre des arbres, 4. Chevaux de bois, 5. Green, 6. Spleen) von Claude Debussy. Von einem noch unerfahrenen Inspizienten im Dunkeln gelassen, konnte das Publikum dem Text der Lieder leider kaum folgen. Die Stimme hinterliess einen sehr positiven Eindruck. Benjamin Bernheim folgte mit vier Liedern von Henri Duparc: «L’invitation au voyage», «Phidylé», «Extase» und  «La vie antérieure). Leider war schon hier das gleiche Problem wie bei seinem Liederabend im April festzustellen: Lautstärke ist nicht das einzig Wahre, senkt die Textverständlichkeit erheblich und verunmöglicht Differenzierung nahezu. Gerade die wenigen Stellen im Piano oder Pianissimo liessen erahnen, welches Potential vorhanden wäre. Die sogenannte Glöckchenarie, «Où va la jeune hindoue» aus Delibes «Lakmé», gelang Devieilhe atemberaubend perfekt. Die volle Stimme sauber geführt bis in höchste Höhen ohne je als Automat zu wirken: Was will man mehr? «En fermant les yeux», die Traumerzählung des Des Grieux aus Massenets «Manon», tönte mehr nach «Manon Lescaut» als nach Manon. «Ange adorable» (Madrigal), das Duett Roméo – Juliette aus Gounods «Roméo et Juliette», stimmte zum Schluss des ersten Teils versöhnlich.

Der zweite Teil des Abends war weitgehend Richard Strauss gewidmet. Benjamin Bernheim begann mit vier Liedern, »Befreit op. 39 Nr. 4» , «Heimliche Aufforderung op. 27 Nr. 3», «Morgen! op. 10 Nr. 2», «Cäcilie op. 27 Nr. 2», Sabine Devieilhe folgte mit dem Zyklus «Mädchenblumen» op. 22 (1. Kornblumen, 2. Mohnblumen, 3. Efeu, 4. Wasserrose). War bei Bernheim wieder das Problem mit der Lautstärke festzustellen, so hat Devieilhe noch am eigenen Textverständnis und davon abhängend an der Diktion zu arbeiten. «C’est moi, Lucie…», Szene und Duett Lucie – Edgard aus dem 1. Akt der «Lucie de Lammermoor», der von Donizetti selbst für Paris umgearbeiteten « Lucia di Lammermoor» war der Schlusspunkt des offiziellen Programms. Der geneigte Leser ahnt den Kommentar schon: Devieilhe konnte rundum überzeugen, wohingegen ihr Partner schon wieder zum Verismo drängte.

Den Reigen der Zugaben begann Devieilhe mit einem traumhaft dargebotenen Chanson. Die Stimmfarbe wechselte von einem mädchenhaften Sopran bis hin zu einer leicht rauhen Stimme à la Edith Piaf und mit ihrem mustergültigen Pianissimo erreichte sie auch den letzten Winkel des Hauses. Die zweite Zugabe, vorgetragen von Bernheim, war die Uraufführung des Liedes «Quand’io mi trovo alla mia Bella accanto» (nach Heinrich Heine). Anselm Gerhard, Ordinarius der Musikwissenschaft in Bern, hatte das Fragment unter jenen 5000Seiten, die Verdis Erben nun langem Kampf freigeben mussten, entdeckt und nach ähnlichen Passagen aus »Don Carlos», unter dessen Dokumenten es sich fand, vervollständigt. Mit «Tonight» aus Bernsteins «West Side Story» endete der Abend.

Der Abend hinterlässt einen ausgesprochen zwiespältigen Eindruck: Eine Sopranistin in Top-Verfassung, ein Tenor, der an den Noten klebte und glaubte, in der Art von Novak Đoković vom Publikum Applaus einfordern zu müssen.

 

06.07.2020, Jan Krobot/Zürich

 

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