Giuseppe Verdi: Il trovatore • Opernhaus Zürich • Premiere: 24.10.2021
The english troubadour
Der Einstand des neuen Zürcher GMD Gianandrea Noseda ist mit einer grossartigen Produktion von Verdis «Il trovatore» bestens gelungen. Die musikalische Umsetzung ist gleichermassen überzeugend wie die szenische Seite gelungen.
Foto © Monika Rittershaus
Die junge englische Regisseurin Adele Thomas hat ihre Hausaufgaben gemacht, und, das zeigt die Inszenierung ganz deutlich, nimmt Verdis Dramma lirico ernst. Die Inszenierung spielt zu Beginn des 15. Jahrhunderts; Annemarie Woods (Ausstattung) hat ihr dazu herrliche, von Hieronymus Bosch inspirierte Kostüme geschaffen. Für manchen sind sie, obwohl keinesfalls unästhetisch, wie die Reaktion des Publikums zeigt, gewöhnungsbedürftig. Dass Graf Luna rosa trägt, ist wohl der Herkunft der Regisseurin aus dem englischen Kulturkreis zuzuschreiben. [Man erinnere sich an die Krawatten des abgetretenen Speaker des britischen House of Commons.] Als Einheitsbühnenbild dient Thomas eine hohe sich quer über die Bühne nach hinten erstreckende Treppe, die ihr immer wieder die Bildung von Tableaux vivants (zum Beispiel für Ferrandos Erzählung zu Beginn der Oper) oder spektakuläre Auftritte (mit Speeren bewaffnete, breite Reihe von Choristen, die kommen, um Manrico bei der Befreiung Azucenas zu unterstützen) ermöglicht. Richtig «englisch» wird es dann, wenn Ferrando am Schluss mit dem Kopf des enthaupteten Manrico erscheint. Neben dem Vorhang gibt es noch das sich über die ganze Breite der Bühne erstreckende Maul einer Bestie (Löwe? Wolf?), das den mit «Mi vendica» beschrifteten Rahmen am Portal schliesst. Die Lichtgestaltung von Franck Evin trägt viel zu der beeindruckenden Wirkung der Treppe bei. Das von Emma Woods choreographierte Tanzensemble (Francesco Guglielmino, Manuel von Arx, Martin Durrmann, Tomasz Robak, Steven Forster), das den Chor immer wieder wie eine Schafherdenüber die Bühne treibt, kann als Personifizierung des Aberglaubens und der übernatürlichen Kräfte gelesen werden. Die Kampfchoreographie hat Jonathan Holby besorgt.
Foto © Monika Rittershaus
Mit den beiden Rollendebütanten, Marina Rebeka als Leonora und Piotr Beczała als Manrico, ist es dem Opernhaus gelungen ein absolutes Traumpaar zu engagieren. Marina Rebeka steht als Leonora alles zu Verfügung, was es braucht, um ein Interpretation in Carusos Sinne zu bieten. Die Stimme ist perfekt geführt, sie sitzt und trägt bis in die hinterste Ecke des Hauses. Die stimmlich wie darstellerisch souveräne Rollenbeherrschung mit gleichbleibend hoher Bühnenpräsenz zeigt sich exemplarisch in der Hochzeitsszene, wo das Glück sicht- und in der Stimme hörbar wird, und in der anschliessenden Szene vor dem Gefängnis, wo sich die zwischenzeitlichen Geschehnisse in der Stimme und Körperhaltung niedergeschlagen haben. Piotr Beczała als Manrico ist wie Rebeka im Moment eine Idealbesetzung der Rolle. Beczała ist im Moment auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Den Manrico gibt mit viel Schmelz, manchmal einer Träne zu viel, und endlosem Atem. Bis auf den Moment, als er im «Di quella pira» dem Publikum zu viel bieten will, gelingen die Höhen perfekt. Quinn Kelsey gibt einen hervorragenden Il Conte di Luna mit guter Bühnenpräsenz. Bewunderung verlangt, mit welchem Gleichmut er das wenig vorteilhafte, rosafarbene Kostüm trägt. Seine Stimme hat aber im Vergleich zu Rebeka und Beczała wenig Charakteristik. Die Azucena der Polin Agnieszka Rehlis ist die Überraschung des Abends. Mit wunderbaren Tiefen, satter Mittellage und sauberen Höhen gibt sie eine intensive Zigeunerin und kann im Quartett der Hauptfiguren ohne Probleme mithalten. Mit Robert Pomakov ist Ferrando endlich mit einem Sänger besetzt, dem nicht schon nach ein paar Sätzen die Luft ausgeht. Mit sonorem Bass gestaltet er seine Erzählung so, dass sie interessant wird und nicht mehr nur als «Vorspann» durchgeht. Bożena Bujnicka als Ines, Omer Kobiljak als Ruiz, Jeremy Bowes als Un vecchio zingaro und Andrei Skliarenko als Un messo ergänzen das hochkarätige Ensemble.
Foto © Monika Rittershaus
Der Chor der Oper Zürich (Choreinstudierung: Janko Kastelic) zeigt sich in absoluter Höchstform. Mit sattem Klang und bester Textverständlichkeit ist er mit grosser Leidenschaft und Spielfreude im Einsatz.
Der Philharmonia Zürich unter der musikalischen Leitung des neuen Generalmusikdirektors Gianandrea Noseda gelingt ein ausserordentlicher Abend. Hoch konzentriert geben alle Register ihr Bestes und musizieren mit Spielfreude und Leidenschaft. So muss Verdi klingen!
Ein perfekter Verdi-Abend!
Weitere Aufführungen:
Do. 28. Okt., 19.30; Di. 02. Nov., 19.00; Sa. 06. Nov., 19.00; Di. 09. Nov., 19.00;
Fr. 12. Nov., 20.00; Mi. 17. Nov., 19.00; Sa. 20. Nov., 19.00; Fr. 26. Nov., 19.00.
24.10.2021, Jan Krobot/Zürich