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ZÜRICH/ Opernhaus: GALAKONZERT CECILIA BARTOLI ZUM DRESSIGJÄHRIGEN BÜHNENJUBILÄUM – BENEFIZKONZERT FÜR DAS INTERNATIONALE OPERNSTUDIO

"Reverenza, Cecilia!“


Javier Camarena, Cecilia Bartoli, Huw Montague Rendall. Foto: Andrin Fretz

Opernhaus Zürich: GALAKONZERT CECILIA BARTOLI ZUM DRESSIGJÄHRIGEN  BÜHNENJUBILÄUM – BENEFIZKONZERT FÜR DAS INTERNATIONALE OPERNSTUDIO –  10.1.2019  

„Reverenza, Cecilia!“

Es ist kaum zu glauben: Seit ihrem Debüt in Zürich als Cherubino vor dreissig Jahren (!) überrascht uns Cecilia Bartoli immer wieder mit ihrem Einfallsreichtum, ihrem sängerischen Instinkt und ihrer künstlerischen Intelligenz. Und das alles wäre noch nicht „La Cecilia“, wenn da nicht auch ihr Charme, ihre Ausstrahlung und die vollkommene Identifizierung mit dem, was sie gerade vorträgt, wäre. Kurz gesagt: Cecilia Bartoli ist eine absolute Ausnahme-Erscheinung in der heutigen globalen Welt des schönen Scheins und der Schnelllebigkeit und Kunst-Wegwerf-Gesellschaft. Ihre Stetigkeit hat Cecilia Bartoli allein – so widersprüchlich das auch klingen mag – ihrer Flexibilität und ihrem Ansporn, sich immer wieder neu zu erfinden, zu verdanken. Sie hätte es sich auch durchaus leichter machen können und sich auf den Lorbeeren ihres „Brand“ Rossini ausruhen können. Wobei schon hier angefügt werden darf, dass gerade ihre Cenerentola und Rosina, von denen sie sich inzwischen leider verabschiedet hat und wovon an diesem Abend ausgewählte Szenen zu hören waren, in besonders schöner Erinnerung bleiben und schmerzlich vermisst werden. So sang sie auch an diesen Abend nicht nur diese beiden Rollen aus dem „komischen“, sondern auch aus dem „serösen“ Rossini die wunderbar verhalten und verinnerlicht Canzone del Salice und die Preghiera der Desdemona, wo sie mit bewegend schlichten Tönen direkt die Herzen der Zuhörer traf. Das war auch schon der Fall beim Duett „Fra gli amplessi“ aus Mozarts „Così fan tutte“, als Javier Camarena (Ferrando) Fiordiligi mit schmelzendem Tenorklang verführte.  

Es war sicher wohl eine Huldigung an die ebenso lang andauernde wie erfolgreiche Karriere der römischen Sängerin. Aber klug wie sie nun mal ist, hat sie das Gala-Konzert als Benefiz-Konzert dem Nachwuchs des IOS (Internationales Opernstudio) gewidmet und einige Sängerinnen (Sinéad O’Kelly und Justyna Bluj) und Sänger als auch eben Javier Camarena, der damals aus dem IOS direkt in den Opernbetrieb eingesprungen war, zur Mitwirkung eingeladen. So waren nicht nur Solo-Arien, sondern meistens in die Handlung eingebettete Szenen und Ensembles zu hören und zu sehen, was natürlich dem Spieltalent der Bartoli sehr entgegenkam. Es ist schon erstaunlich, wie sie von einer aufregenden Koloraturarie in nur wenigen Augenblicken zu einem perfekten Piano-Legato wechseln kann. Eine grosse Könnerin eben!

Zu Beginn – la Bartoli trat jeweils im Kostüm der betreffenden Rolle auf – wirkte sie  fabelhaft im schwarzen Rokoko-Hosenanzug mit Mozart-Zopf in virtuosen Arien von Vivaldi und Händel, dann kamen zwei Szenen mit Zerlina, „natürlich in kurzem Gewande“ (mit Dean Murphy als Don Giovanni und Huw Montague Rendall als Masetto) und zum Schluss als eine der vier (!) Zugaben der Cherubino mit „Voi che sapete“ zum Zuge, mit dem sie vor dreissig Jahren am Opernhaus Zürich zum ersten Mal aufgetreten war. Nikolaus Harnoncourt war seinerzeit ihr Mentor. Er hat mit seinem Spürsinn recht behalten!

Cecilia Bartoli, die schon fulminant mit den Barock-Arien den Abend eröffnet hatte, liess ohne Ermüdungs-Erscheinungen eine Auswahl aus ihrem Rollen-Katalog Revue passieren. Sie tat dies mit einer erstaunlichen Flexibilität (die rollenden Koloraturen sind immer noch da!) und Farbigkeit ihres apart timbrierten Mezzos, womit sie sich jeweils der Rolle anpassen kann. Das volle Haus ging emotional mit ihr mit, die Bartoli strahlte immer mehr, und am Schluss gab’s wirklich ehrlich gemeinte, verdiente Standing Ovations: Wir gewährten ihr diese Ehrerbietung noch so gerne!

Unter den vier Zugaben war auch das „Libiamo“ aus „La Traviata“ und dort liess sie uns staunen, wie aus der Cenerentola im Brautkleid plötzlich eine Violetta wurde und zudem ihrer Stimme bis zum hohen Schlusston einfach freien Lauf liess. Ein Fingerzeig auf einen Fachwechsel? Naja, da sie ja die Norma schaffte, die sie an diesem Abend (wohlweislich?) gemieden hatte, würde für sie auch eine Violetta kein Problem sein, zumindest im Zürcher Opernhaus, wo die Raumverhältnisse sie nicht zum Forcieren verleiten und der intime Rahmen ihr dieses Experiment ermöglichen würden. Aber vielleicht lässt sie es auch, und wendet sich neuen Aufgaben zu. Und seien wir zufrieden mit dem Reichtum an künstlerischen Erlebnissen, die uns diese aussergewöhnliche Sängerin über die drei Dekaden hinweg geschenkt hat.  

Ein wunderbarer Abend mit einer Künstlerin, die man besonders in Zürich liebgewonnen hat.

Nicht zu vergessen sind die Solistinnen und Solisten des IOS und vor allem die prächtig disponierte La Scintilla unter dem feinen Dirigat von Gianluca Capuana und den hervorragenden Bläser-Soli von Maria Goldschmidt (Flöte), Philipp Mahrenholz (Oboe) und Thibaud Robinne, Trompete) und eben als Gast Javier Camarena, der mit einer fabelhaft gesungenen Arie „Si, ritrovarla“ aus „La Cenerentola“ das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss. Und nicht zu vergessen die Regie von Claudia Blersch die mit wohltuender Delikatesse und Zurückhaltung das szenische Arrangement übernommen hatte.

John H. Mueller

 

 

 

 

 

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