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ZÜRICH/Opernhaus: DON GIOVANNI. Wiederaufnahme. Der Vorhang zu und alle Fragen offen

Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni • Opernhaus Zürich • Wiederaufnahme: 25.01.2022

Der Vorhang zu und alle Fragen offen

Abwechslung macht das Leben interessant und so hatte am Opernhaus Zürich nun nach zwei mitreissenden, klassischen Inszenierungen eine Regietheater-Arbeit vom Beginn der Intendanz Homoki ihre Wiederaufnahme (Premiere am 26. Mai 2013).

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Foto © Toni Suter

Die musikalische Leitung des Abends hat Jordan de Souza. Mit sparsamen, sehr deutlichen Gesten hat er das Geschehen immer unter Kontrolle. Die Tempi überzeugen, die Lautstärken dürften noch unter Kontrolle zu bekommen sein. Die Philharmonia Zürich im hochgefahrenen Orchestergraben folgt ihm höchst konzentriert und mit viel Spielfreude. Ein Extra-Lob verdienen die wunderbaren Holzbläser. Der Chor der Oper Zürich absolvierte seine nicht immer einfachen Auftritte mit schönem Klang und bewundernswerter Motivation.

Die für die Besetzung zuständige Person scheint eine unbändige Vorliebe für vibratoreiche Stimmen zu haben. Konstantin Shushakov debütierte als Don Giovanni und gehörte zu den Solisten des Abends, die Kontrolle über ihr Vibrato hatten und es, warum auch immer, grosszügig einsetzten. Er bot eine solide Interpretation, bei der mit zunehmender Erfahrung sicher noch Luft nach oben ist. Tuuli Takala debütierte als Donna Anna und zusätzlich am Haus. Ihr gelang eine von Grund auf musikalisch wie szenische überzeugende Interpretation. Vor allem: sie zeigte mit ihrem herrlich klaren, frischen Sopran mustergültig, dass eine stilistisch solide Mozart-Interpretation keines Dauer-Vibratos bedarf. Sebastian Kohlhepp, ebenfalls am Hause debütierend, nennt einen hellen, kräftigen Spieltenor sein eigen. Ohne Vibrato wäre seine Leistung auf der Haben-Seite im oberen Bereich zu vermerken gewesen. David Leigh überzeugte als Komtur mit einem sanft strömendem Bass und natürlicher Autorität. Ganz ohne Vibrato. Anita Hartigs Interpretation der Donna Elvira war leider durch ein störendes, nicht gewollt klingendes Dauer-Vibrato beeinträchtigt. Evan Hughes als Leporello beeindruckte mit sauber geführtem Bass-Bariton und grosser, nie versiegender Spielfreude. Das niedere Paar, Masetto und Zerlina, war mit Mitgliedern des Internationalen Opernstudios besetzt. Andrew Moore bestätigte den guten Eindruck aus «Viva la Mamma!» und «Le Comte Ory». Erica Petrocelli konnte mit ungesund orgelndem Sopran als Zerlina nicht wirklich begeistern.

Sebastian Baumgarten möchte die Fragen, die er hofft, dass sie seine Inszenierung aufwirft, im Sinne Brechts («Der Vorhang zu und alle Fragen offen») dem Zuschauer zur Beantwortung übergeben, denn es handle sich beim Konflikt der Oper um einen dialektischen Widerspruch, der nicht beseitigt, sondern nur immer wieder einer Lösung zugeführt werden kann. Den Grundkonflikt von Mozarts Oper, von Hedonismus und Abstinenz, lässt Baumgarten im Kultraum einer neoprotestantischen Sekte (Bühnenbild: Barbara Ehnes) spielen. Entsprechend tritt der Chor als Amish People auf (Kostüme: Tabea Braun). So gut der Ansatz an sich ist, so sehr leidet er unter dem Klamauk, der ihm die direkte Verständlichkeit als Grundzug einer guten Inszenierung nimmt. Der spritzende Phallus auf der Tafel des nächtlichen Banketts trägt nun wirklich nicht zum tieferen Verständnis bei.

Schade um den Aufwand.

Weitere Aufführungen: 28.01.2022, 19.00; 30.01.2022, 20.00; 05.02.2022, 19.00; 11.02.2022, 19.00, 18.02.2022, 19.30.

26.01.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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