Zürich: Liederabend Anne Schwanewilms – 26.10.2015
Von verhaltenem Zauber
Anne Schwanewilms. Copyright: Javier del Real
Anne Schwanewilms, allseits renommierte Interpretin der Frauengestalten insbesondere von Richard Strauss, braucht man eigentlich nicht vorzustellen. Wohl aber in Zürich, wo sie vor einigen Jahren einmal in der „Holländer“-Inszenierung von Ruth Berghaus aufgetreten ist. Leider vermochte ihr Name nicht den Publikums-Zuspruch erwirken, den man sich wohl erhofft hatte. Zudem kommt, dass die Kunst des Liedgesangs eine Sparte für sich, quasi ein „Nischenprodukt“ darstellt. Die Kunst des Leisen, des Feinen, scheint nicht mehr aktuell zu sein…Und in Anne Schwanewilms, die sehr gewohnt ist, über Strauss’sche Orchesterwogen hinweg zu singen, ist eben auch eine Sängerin der feinen Töne. Allerdings lässt sich eine Opernstimme auch beim Liedersingen nicht verhehlen. Neben ausgesprochenem Piano-Singen gibt’s doch immer wieder Aufschwünge in Sopranhöhen mit Applomp und Wirkung. Doch sag ich nicht, dass das ein Fehler sei – um den weisen Schuster Hans Sachs zu zitieren.
Da war zuerst mal ein hoch interessanter Liederabend mit – abgesehen von den Wesendonk-Liedern – einer unüblichen Auswahl, die die Sopranistin für diesen Liederabend mit ihrem Duo-Partner am Klavier, dem bewährten Malcolm Martineau, zusammengestellt hatte. Zuerst gab die „Proses lyriques“, einen kleinen Zyklus von Claude Debussy, den Anne Schwanewilms ganz verhalten und leider in unverständlichem Französisch sang. Mangelnde Farben und Diktion halfen auch den 4 Liedern von Hugo Wolf nicht; zu eintönig wirkten die Lieder. Wobei bemerkt werden muss, dass Anne Schwanewilms über eine vorzügliche Technik verfügt und sich manchmal etwas gar im „Schöne-Tönen-Produzieren“ verliert. Ihr Timbre ist edel und klar. Von Malcolm Martineau am Flügel wurde die Sängerin höchst einfühlsam und feinsinnig begleitet.
Nach der Pause sang Anne Schwanewilms die Lieder op. 2 von Arnold Schönberg, also frühe und von Tristan-Klängen durchtränkte Kompositionen. Hier nun entfaltete die Sängerin einen sehr schönen Klang und man muss einfach ihre Ernsthaftigkeit bewundern, wie sie sich jeder Phrase mit Perfektion annimmt. Als Höhepunkt des Liederabends setzte die Künstlerin die Wesendonk-Gesänge des Bayreuther Meisters, die sie wiederum mit einer selten gehörten Piano-Technik erblühen liess. Eine höchst unübliche Interpretation. Bei diesen Liedern ist man doch eher eine vollere Stimme in fliessendem Legato mit mehr sinnlichem Reiz gewohnt, aber Anne Schwanewilms drückte diesen Kompositionen ihren ganz eigenen verhaltenen Zauber auf. Als Zugabe gab‘s zwei Lieder von Richard Strauss, worunter der Sängerin insbesondere das „Rosenband“ wunderbar in der Stimme lag. Wann dürfen wir Anne Schwanewilms als Strauss-Interpretin hier in Zürich hören?
John H. Mueller