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ZÜRICH/ Landesmuseum: Ausstellung NONNEN. Starke Frauen im Mittelalter

Starke Ausstellung über starke Frauen

06.06.2020 | Allgemein, Ausstellungen

AUSSTELLUNG: Nonnen. Starke Frauen im Mittelalter, Landesmuseum Zürich, 20.03. – 16.08.2020

Starke Ausstellung über starke Frauen


Blick in die Ausstellung. Copyright: © Schweizerisches Nationalmuseum

Mit der Wechselausstellung „Nonnen. Starke Frauen im Mittelalter“ ist dem Landesmuseum Zürich (Schweizerisches Nationalmuseum) erneut eine hervorragende Schau gelungen.

Ziel der Ausstellung ist es, einen Einblick in die komplexe mittelalterliche Glaubens- und Klosterwelt zu geben und die beachtlichen politischen und wirtschaftlichen Spielräume mittelalterlicher Äbtissinnen vor der am Zweiten Vatikanum erfolgten Koppelung von Weihemacht und Juristischer Macht aufzuzeigen. Seither hat die juristische Macht nur, wer auch die Weihemacht hat: Nonnen bleiben also aussen vor. 15 ausgewählte Nonnen (deren Namen im vorliegenden Text kursiv gedruckt sind) repräsentieren mittelalterliche Klosterkultur und Formen weiblicher Frömmigkeit wie auch den Wechsel von der dem Mann auf Grund ihrer Körperlichkeit unterlegenen Frau der Scholastik hin zu der gerade auf ihrer Körperlichkeit Christus näheren Frau der Mystik.

Im Mittelalter gab es weder die Nonne noch den Orden noch das Kloster. Der freie Wille konnte zum Eintritt ins Kloster führen, aber auch dynastische und politische Interessen, vor allem die Sorge um die Memoria, adliger Familien, das Angebot von Schutz und Sicherheit für die Witwe wie, in der Zeit als die ersten Universitäten gegründet wurden und noch lange nicht für Frauen zugänglich waren, der Wunsch nach Bildung. Häufig kamen die Frauen schon in jungen und jüngsten Jahren, also als Kinder zur Erziehung ins Kloster.

Bei der Synode von Aachen (816-819) wurde die Regel des Heiligen Benedikt von Nursia als verbindliche Klosterregel festgelegt. Für Frauen, die ein religiöses Leben führen wollten, gab es zwei Varianten: entweder als Nonne in einem Benediktinerinnenkloster oder als Kanonissin in einem Damenstift mit unterschiedlichen Konsequenzen in Sachen Lebensführung und Privatbesitz. Mit der Welle der Klostergründungen im 11. Jahrhundert und dann mit dem Aufkommen der Bettelorden und Beginen nahm die Zahl an religiösen Lebensformen für Frauen deutlich zu. Das Spektrum reichte von völliger Weltabgeschiedenheit einzelner Dominikanerinnenklöster bis hin zum Leben in der Welt von Beginen.

Geht es um politische und wirtschaftliche Macht, so bestanden zwischen Frauen- und Männer-Konventen keine Unterschiede. Da die Klöster für die mittelalterliche Jenseitsvorsorge, die Memoria, das Erinnern an die Verstorbenen, damit diese beim Jüngsten Gericht nicht vergessen gehen, eine enorm wichtige Rolle spielten, wurden sie von Gründerfamilien (Stifterfamilien) und später den Familien der adligen Nonnen reich mit Gütern und Rechten beschenkt. So hatten die Äbtissinnen den Klosterbesitz zu verwalten, vergaben Bauaufträge, begaben sich wie zum Beispiel Pétronille de Chemillé (1080/1090-1149), Äbtissin von Fontevraud, auf Predigtreisen und trugen auch politische Verantwortung, wie Elisabeth von Wetzikon (1235-1298), die als Äbtissin der Zürcher Fraumünsterabtei Pfarrer und Richter berief, als Reichsfürstin Einsitz im Reichstag hatte und 1271 als Stadtherrin Zürichs König Rudolf I. von Habsburg empfing.

Da die „Alma Mater“ des Mittelalters nur Söhne, aber keine Töchter hatte, waren die Klöster für Frauen die einzige Möglichkeit zu Bildung zu gelangen. Gelehrt wurden Latein, die Sieben Freien Künste und die Kunst des Schreibens, seien es Briefe oder Bücher und deren Illustrationen in den Skriptorien. Herrad von Landsberg (1125/30 – 1195), Äbtissin des Klosters Hohenburg auf dem Odilienberg im Elsass, stellte den von ihrer Vorgängerin übernommenen „Hortus Deliciarum“, eine enzyklopädische Schrift zur Ausbildung der Nonnen, fertig: „Wie eine Biene den Honig aus verschiedenen Blüten saugt, trage ich das Wissen meiner Zeit aus verschiedenen Schriften zusammen.“


Herrad von Landsberg und ihre Gemeinschaft, aus: Herrad von Landsberg, Hortus Deliciarum, handkolorierte Kupferstiche, 1818, Papier Bibliothèque du Grand Séminaire, Strasbourg, Bl. XI. Copyright: © Coll. et photogr. BNU de Strasbourg

Die bekannteste Nonne des Mittelalters dürfte Hildegard von Bingen (1098-1179) sein. Sie hatte umfassende Kenntnisse der Naturheilkunde, betätigte sich als Komponistin und schrieb, als Sprachrohr Gottes, ihre Visionen nieder. 

Mit den Schriften des Bernhard von Clairvaux, für den Gott nicht nur im theologischen Denken sondern auch persönlich erfahrbar war, wurde die Mystik, die persönliche Erfahrung der Gegenwart Gottes im Rahmen einer Ekstase, immer weiter akzeptiert. Zentren der Mystik in der Schweiz waren die Klöster St. Katharinental bei Diessenhofen und Töss, wo Elsbeth Stagel (um 1300 – 1360) zusammen mit Heinrich Seuse das „Tösser Schwesternbuch“ verfasste.

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts begann sich die Kloster-Landschaft zu Wandel. Immer lauter wurden der Ruf nach einer Reform und nach der Rückkehr zu den Idealen der frühen Kirche und Klöster. Prägend wurde hierbei die nie Heilig gesprochene Katharina von Siena (1347 – 1380).


Meister von Liesborn, Die Heiligen Franziskus und Klara, zu ihren Füssen je eine Gemeinschaft von Klarissen mit ihren Äbtissinnen, Altarflügel eines Triptychons aus dem Kloster St. Klara in Köln, Westfalen, um 1480, Eichenholz. Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Inv.-Nr. WRM 377 und WRM 378: Copyright: © Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_d001743

Längst nicht alle Klöster waren aber zu Reformen bereit: so wurden zum Beispiel aus den aus dem Basler Kloster Klingental geflohen Nonnen wie Margret Zschampi (1470 – 1525) bei ihrer Rückkehr Augustiner-Chorfrauen. Im Kloster St. Katharina wurde Reform von Äbtissin Angela Varnbühler (1441 – 1509) umgesetzt. Selbst das Redefenster, letzter Kontakt nach aussen, wurden zugenagelt. (Reform und Reformation)

Katharina von Zimmern (1478 – 1547) war die letzte Äbtissin der Fraumünsterabtei. 1524 überschrieb sie das Kloster mitsamt seinem gesamten Besitz der Stadt Zürich. Nach der Auflösung des Klosters heiratete Katharina den Söldnerführer Eberhard von Reischach, der 1531 in der Schlacht bei Kappel fiel. Bis zu ihrem Tod lebte Katharina von Zimmern zurückgezogen in Zürich.

Die Ausstellung überzeugt mit ihrem Gehalt, der klugen Konzeption von Projektleiterin und Kuratorin Christine Keller und dem Reichtum der Ausstellungsstücke auf ganzer Linie.

Informationen zur Ausstellung wie zum Beispiel Podcast: https://www.landesmuseum.ch/nonnen

Katalog: https://tickets.landesmuseum.ch/de/product/41915

06.06.2020, Jan Krobot/Zürich

 

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