ZÜRICH: COSI FAN TUTTE – Wiederaufnahme in glänzender Besetzung – 6.2.2014
Anna Stephany, Elliot Madore. Foto: Judith Schlosser
Die noch in der Pereira-Ära im Jahre 2009 von Sven-Eric Bechtolf (Bühnenbild und Kostüme: Rolf und Marianne Glittenberg) präsentierte Inszenierung wurde nun wohlgeprobt und gut einstudiert (Claudia Biersch) in teils neuer Besetzung wiederaufgenommen. Um es kurz zu machen: Es war ein einziges Vergnügen! Daran schuld ist natürlich auch Mozart selbst, der hier in seiner höchsten Meisterschaft zu einem Psychodrama à la Strindberg gefunden hat, nur eben aus einer witzig-zynischen Sicht, wie sie Don Alfonso zum Ausdruck bringt. Nichts von „tändelndem und Mozart-Kugeln-Image“, sondern eine Tragödie im Kleid einer fast trivialen Verwechslungskomödie. Da war zuerst einmal die neue Fiordiligi von Marina Rebeka, in ihrer bis jetzt wohl besten Rolle hier am Opernhaus Zürich. Wie sie absolut sicher diese schwierige Partie beherrscht, ist schon beeindruckend. Das kühle Timbre der Stimme, die nur in der extremen Höhe Spuren von Schärfe aufweist, passt gut zur etwas zickigen Figur der Fiordiligi. Ein hervorragendes Rollenporträt. Dorabella wurde von der jungen Anna Stephany in der Tradition der ganz grossen Rollenvorgängerinnen gesungen. Hatte sie schon als Siebel in der Faust-Premiere Aufsehen erregt, so war sie als Dorabella eine Idealbesetzung. Ihre etwas an Federica von Stade erinnernde Stimme besitzt einen wunderbaren sinnlichen Reiz. Beide Damen sahen wunderbar aus in ihren prächtigen Rokoko-Kostümen (Marianne Glittenberg) und spielten einfach köstlich. Ein Kabinettstückchen an Komik ist ihre Szene des „Damen-Besäufnisses“, als sie ihre wachsende Unsichherheit mit Wein zu ertränken suchen. Als Don Ferrando war wieder Javier Camarena (wie bei der Premiere) mit von der Partie und zeigte sich merklich gewachsen an Ausformung seines herrlichen Timbres und an lockerer Spiellust. Als neuer Guglielmo vermochte der junge Elliot Madore auf der ganzen Linie zu überzeugen. Ein richtiger Charmebolzen ist dieser Amerikaner, der sich total frei bewegt und zudem noch gut aussieht. Hier könnte ein neuer Don Giovanni im Kommen sein! Sein Bariton hat auch eine gute Grundierung und ein flexibles Timbre. Die beiden Paare hätten nicht besser besetzt werden können und harmonierten in den Ensembles auf das Beste. Als unverwüstliche Despina konnte Martina Janková noch Einiges an Stimme und Spiel seit der Premiere zusetzen. Köstlich, wie diese grossartige Sängerin die Mitte findet zwischen Zuviel und Zuwenig, keine Pointe ist übertrieben, aber immer witzig und mitunter auch selbstironisch gesetzt. Dazu diese glockenreine Stimme mit sinnlichem Timbre. Brava Martina! Als ihr Partner zeigte sich auch Oliver Widmer als Don Alfonso seit der Premiere wesentlich verbessert und war ganz hervorragend in den Secco-Rezitativen. Dass seine Stimme einen etwas trockenen Klang hat, ist nur gut für die Charakterisierung dieses Zynikers vor dem Herrn. Der Chor des Opernhauses war bestens einstudiert (Jürg Hämmerli). Und last but not least ist der hier debütierende Tomás Netopil zu nennen, der die Zügel souverän in der Hand hielt und einen in jeder Beziehung fabelhaften Mozart dirigierte. Im ständigen Fluss der Musik Mozarts entstanden nie irgendwelche Löcher, wohl aber lyrische Ruhepunkte und herrlich-duftige Klänge. Die Philharmonia spielte unter seiner Leitung vorzüglich und liess sich von seinem Engagement mitreissen. Mit transparentem Orchesterklang, gut durchgehört und vor allem eindeutig in der Absicht, was der Dirigent wollte, war dies ein Mozart-Abend der ganz grossen Klasse!
John H. Mueller