ZNAIM, Hudebni Festival: KRÁL SLUNCE = DER SONNENKÖNIG 22. 7.2012
Foto: Lubomir Budný
Wenn das Retzer Festival endet, beginnt eines in der benachbarten Stadt Znaim. Hier widmet man sich vor allem barocken Werken. Dieses Jahr gab es ein Lully-Projekt (Jean Baptiste Lully, 1632-1687), aber keine seiner Opern, sondern drei seiner Werke mit Orchester, Chor, Solisten und Tänzern.
Das erste Werk war das Ballett Le Divertissement Royal, LWV (Lully Werkverzeichnis) 42, dann zwei der berühmten Grand Motets, zuerst „Exaudiat te Dominus“ (Psalm 19) LWV 77/15 und dann das grandiose „TE DEUM“ LWV 55. Das letztere sogar mit zwei Chören.
Die einfache, leere Bühne war nur mit Tüchern behangen, die Raumgestaltung erfolgte nur durch die großartige Beleuchtung (Pavel Autrata, Roman Jajčik, Ladislav Rohánek). Die Chöre standen rechts und links auf der Bühne, die 5 Solisten auf der rechten Seite.
Das Czech Ensemble Baroque Orchestra & Choir unter dem Dirigenten Roman Válek und der Chormeisterin Tereza Válková hat inzwischen internationale Qualität erreicht und kann die Klangwelt des Barocks eindrucksvoll ausspielen.
Im ersten Teil des Abends tanzten 7 Solisten (Karolina Beerová, Marie Kapová, Marie Kokešová, Zuzana Pisařiková, Michael Samuel Blaško, Lukáš Cenek und Ondřej Martiš). Das Ballet hat 10 Sätze, die ersten 5 wurden in barocker Manier getanzt. Der sechste Satz hat aber etwas Tango-artiges und wurde auch so getanzt. Die zeitgemäße Art das Tanzens blieb dann bis zum Schluss. Die Choreographin war Hanna Litterová.
Die beiden Grand Motets wurden ebenfalls in moderner Weise, dennoch, trotz der Qualität der Tänzer, wirkte das Tanzen angesichts der großartigen Sänger eher wie Beiwerk. In der ersten der beiden Motets, dem Psalm „Exaudiat“ wurde die besondere Qualität des Chores deutlich, auch hinsichtlich der Stilsicherheit. Die Solisten Michaela Šrůmová/Sopran; Markéta Cukrová/Mezzo; Jean-Francois Lombard/Haute-Contre; Jaroslav Březina/Tenor und Tomáš Král/Bariton entsprachen voll den Anforderungen (nur die beiden Damen mussten beim ersten Einsatz nach dem rechten Ton suchen). Vor allem der letzte Satz des Werkes, das „Gloria Patri et Filio“ hat eine ganz großartige Wirkung.
Foto: Lubomir Budný
Im „Te Deum“ kam noch ein zweiter Chor, ein Doppelquartett hinzu. Bei dieser Aufführung verstand und begriff man, warum dieses Werk zu den berühmtesten Lullys zählt. Die Wirkung ist ganz außerordentlich und überwältigend. Unbeschreiblich die Eindrücke des anschließenden Satzes „In te Domen speravi, non confundar in aeternum“.
Erstaunlich, bei so lebendig aufgeführter Barockmusik, denkt man unwillkürlich an Popmusik, mit dem unwiderstehlichen Drive, großartiger Klangpracht und Anziehungskraft. Die akademisch-steril-trockene Wiedergabe von Barockmusik ist wohl Geschichte. Im Publikum waren besonders viele junge Leute, die ihrer Begeisterung wie bei einem Popkonzert verliehen.
Das Znaimer Festival ist, wie die letzten Jahre immer stärker zeigten, für Freunde von barocken Werken, unbedingt eine Reise (von Wien in etwa 1 ¼ Stunden mit dem Auto erreichbar), es gibt dort eine schöne Altstadt und keine Grenzkontrollen mehr (wie es beim Kaiser war).
Martin Robert BOTZ