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Yuval Noah Harari: FÜRSTEN IM FADENKREUZ

11.06.2020 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

Yuval Noah Harari
FÜRSTEN IM FADENKREUZ
Geheimoperationen im Zeitalter der Ritter 1100-1550
352 Seiten, Verlag C.H.Beck, 2020

Historische Sachbücher können, wenn der Autor nicht aufpasst, auch recht trocken geraten. Dem entgeht Yuval Noah Harari, der an der Hebrew University in Jerusalem Weltgeschichte lehrt, durch einen einfachen Kniff. Er betrachtet die Vergangenheit – in diesem Fall das Mittelalter – gewissermaßen mit unseren Augen. Und entdeckt solcherart das, was in der heutigen Welt „Special Operations“ genannt wird, zuhauf in Geschehen, die bis zu einem Jahrtausend zurück liegen….

Im Grunde ist es eine Kriminalgeschichte des Mittelalters, die er anbietet, wo die „Ritter“ keinesfalls nach Ehrenkodex, sondern nach allen Regeln jener tückischen Kriegsführung handelten, in der angeblich alles erlaubt ist… In der Renaissance hat dann ja auch Machiavelli ohne Skrupel niedergeschrieben, dass Mord und Entführung legitime politische Instrumente und Mittel der Kriegsführung seien… Dass dies bis in die Gegenwart gang und gebe war, beweist eine Verfügung, die US-Präsident Gerald Ford 1976 herausgab, in der seinen Geheimdiensten verboten wurde, politische Morde zu planen. (Donald Trump dürfte diese Verordnung nicht gelesen haben.)

Will man den Klassiker eines „Spezialkommandos“ zitieren, so ist das zweifellos das Trojanische Pferd. Wenn man mit einer riesigen Belagerungsarmee in vielen Jahren dennoch nicht die Mauern einer Festung überwinden kann – wie bekommt man die Soldaten trotzdem hinein? Die List mit dem Pferd ist bekannt. Und solches Verhalten aus List und Tücke blättert Harari in verschiedenen Kapiteln auf, wo es verschiedene Methoden gibt, das Geschehen zu Gunsten einzelner Parteien zu werden. Dass Mord dazu gehört, ist selbstverständlich.

Königsmorde haben Umstürze beschleunigt und auch, will man es denn „positiv“ sehen, Bürgerkriege verhindert. Die Suche nach Verrätern ist in kriegerischen Auseinandersetzungen so wichtig wie die Kampfhandlungen, dasselbe gilt für schwankende, wankende Loyalitäten von Verbündeten. Es gibt zahlreiche „praktische“ Beispiele, wie Armeen aufgehalten werden konnten, indem man etwa Brücken zerstörte. Und das letzte lange Kapitel des Buches, das die Auseinandersetzung zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich behandelt, läuft darauf hinaus, dass die an sich unterlegenen Franzosen das feindliche Heer entscheidend schwächten, indem sie die Mühlen zerstörten, die für die Nahrung der Soldaten unerlässlich waren…

Im Mittelalter hingen ganze Reiche an Dynastien, die Wichtigkeit der Person des Erben war ungeheuer, war keiner da, kreisten nicht nur Verwandte, sondern auch Nachbarn gierig um das nun zu okkupierende Land. Keine Region Europas blieb von solchen Nachfolgekriegen verschont – und ermordete man einen Herrscher unauffällig (der beste Mord ist jener, den man nicht erkennt), konnte man schon zum Überfall ansetzen. Es gab aber auch Beispiele, dass sich feindliche Regionen durch Herrscher-Ehen vereinigen mussten (wie Kastilien und Aragonien).

Zahlreiche Kapitel erzählen von abenteuerlichen und skrupellosen Aktionen, von durch List eingenommenen Festungen, von durch List befreiten Fürsten (wobei die Überlieferung wechselt und viele Ereignisse in vielen Versionen erzählt werden), von durch List ermordeten Herrschern. Am spannendsten ist wieder einmal die Geschichte der Assassinen, die von ihrem rätselhaften „Alten vom Berge“ ausgesandt wurden, sich in fremde Gesellschaften zu infiltrieren und dort hohe Persönlichkeiten, meist Herrscher, zu ermorden. Man arbeitete mit Gehirnwäsche und effektvollen Drogen, um diese Mörder auszuschicken, die zu einer steten Bedrohung der Herrschenden wurden und wahre Panik unter ihnen auslösten. Oft auch wurden diese Morde bestellt – ob allerdings Sultan Saladin oder Richard Löwenherz sich an die Assassinen wandte, um Konrad von Montferrat, den König von Jerusalem, töten zu lassen… das kann die Geschichtsschreibung nicht beantworten. Nur, dass es geschah, das steht fest.

Dass ein Buch wie dieses besonderen Reiz auf Leser ausübt, liegt – und der Autor weiß das ganz genau – daran, dass das Thema äußerst populär ist und in Filmen immer wieder behandelt wurde, wo Einzelne ausgesendet werden, um „Tolles“ zu vollbringen. Tatsächlich gibt es berühmte Spezialeinheiten einzelner Länder wie die legendären Navy Seals der Amerikaner. Schließlich hat auch Österreich seine „Cobra“, wenn es gezielt zur Sache gehen muss, ohne dass man gleich einen Krieg anzetteln möchte. Allerdings – für „Fair Play“ ist da kein Platz. Die historischen Beispiele beweisen es nachdrücklich.

Renate Wagner

 

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