Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WÜRZBURG: MORDE IN BILDERN von Reinhard Febel

18.03.2012 | KRITIKEN, Oper

Drei Kammeropern in Würzburg: „Morde in Bildern“ von Reinhard Febel (Vorstellung: 18. 3. 2012)


Anke Endres als Frida Kahlo (Foto: Mainfrankentheater Würzburg, Falk von Traubenberg)

 Einen etwas makabren, aber interessanten Opernabend bot das Mainfrankentheater Würzburg im Museum im Kulturspeicher mit der Aufführung von drei Kammeropern des deutschen Komponisten Reinhard Febel, der in seinen Werken stets auch den Dialog mit anderen Künsten sucht. Ein Unterfangen, das er mit dem Triptychon „Morde in Bildern“ neuerlich unter Beweis stellt. In den drei Kammeropern „Frida“, Gespensterhaus“ und „Raum 17“ hebt er nicht nur die Grenzen zwischen den unterschiedlichsten Zeiten, sondern auch zwischen Kunst und Leben sowie zwischen Musik und Malerei auf. Mit dem Aufführungsort, dem Museum im Kulturspeicher, wurden auch die Grenzen zwischen den Ausführenden und dem Publikum durchlässig gemacht.

 Reinhard Febel (geb. am 3. 7. 1952 in Metzingen bei Stuttgart) studierte ab 1979 Komposition bei Klaus Huber und lebte zwischen 1983 und 1988 als freier Komponist in London. Seit 1997 ist er Professor für Komposition am Mozarteum in Salzburg. Im Jahr 1980 erhielt er den Beethoven-Preis der Stadt Bonn. Das Triptychon komponierte er zwischen 2005 und 2009, wobei „Frida“ und „Gespensterhaus“ in Salzburg (2005 und 2007) und „Raum 17“ in Kiel (2009) uraufgeführt wurden.

 In allen drei Kammeropern, deren Texte vom Komponisten selbst stammen, treten Paare in verschiedenen Konstellationen auf, wobei sich fortwährend die Zeitebenen vermischen und ein verwirrendes Spiel mit der Realität getrieben wird. In der Oper „Frida“ geht es um das Gemälde Unos cuantos piquetitos (Ein paar kleine Dolchstiche) von Frida Kahlo aus dem Jahr 1935. Es zeigt eine Frau auf dem Bett und ihren Geliebten, der zu ihrem Mörder wird. Die musikalische Version zeichnet den auf dem Bild dargestellten Albtraum Frida Kahlos nach, wobei die Sängerin schlaftrunken einzelne Töne von sich gibt und der Täter ihr ein Wiegenlied als eine Arie der Reue singt.

 In der Oper „Gespensterhaus“ spielt das Horrorbild Haunted House von Edward Hopper aus dem Jahr 1926 die Hauptrolle. Es taucht ein Ehepaar aus alten Zeiten auf. Er hatte sie ermordet und nun sind beide verflucht. Ins Gespensterhaus verirrt sich ein junges Liebespaar. Als das Mädchen ein Medaillon findet und es sich um den Hals legt, rastet ihr eifersüchtiger Freund aus und ermordet sie. Die Mordtat hat sich also wiederholt.

 In der Oper „Raum 17“ kopiert ein etwas verwirrt wirkender Maler das Gemälde Rokeby Venus (Venus vor dem Spiegel) von Diego Velázquez, das um 1650 entstanden ist. Als die Venus zum Leben erwacht und den Künstler in ein Gespräch verwickelt, vermischen sich die Zeitebenen. Ein zweites Paar singt Melismen ohne Text, die an andalusische Melodien erinnern, was vielleicht auf eine Liebesgeschichte hinweist, aus der das Gemälde entstanden ist. Eine Attentäterin kommt hinzu und attackiert die Venus auf dem Bild mit einem Messer. Tatsächlich gab es am 10. März 1914 im Raum 17 der Londoner National Gallery solch einen Anschlag mit einem Fleischermesser auf das Gemälde.

 Der Komponist inszenierte sein Triptychon in Würzburg selbst. Den Aufführungsort nahm er wohl zum Anlass, eine Museumsführerin auftreten zu lassen, die zwischen den Opern Erklärungen über die drei Gemälde zum Besten gab. Für die Gestaltung der Bühne, die vor allem mit den auf den Bildern vorkommenden Requisiten auskam, zeichnete Stella Kasparek verantwortlich. Die zu den Entstehungszeiten der Gemälde exzellent passenden Kostüme entwarf Kristopher Kempf.

 Die beiden Sänger wurden von der Sopranistin Anke Endres und dem Tenor Markus Francke gegeben. Anke Endres agierte besonders im ersten Teil als Frida Kahlo – auch darstellerisch – eindrucksvoll, im dritten hatte sie mit ihrem Partner bloß hohe Töne zu singen. Markus Francke als Mörder in den beiden ersten Opern musste seine kräftige Stimme ziemlich strapazieren, um über die Lautstärke des Orchesters zu kommen. 

 Die beiden Schauspieler im Triptychon wurden von Maria Vogt und Dominik Meder gegeben. Die junge, hübsche Maria Vogt überzeugte besonders als Polizistin in der Oper „Frida“ und als Geliebte im „Gespensterhaus“. Als Venus-Modell blieb sie mantelumhüllt und erfüllte damit wohl nicht die Erwartungen des männlichen Publikums. Sie hätte sich hinter dem Seidenvorhang ohne weiteres als Velázquez’ Venus präsentieren können! Dominik Meder stellte in der ersten Oper einen barschen und übergriffigen Polizisten dar und im „Gespensterhaus“ einen bis zum Mord eifersüchtigen Geliebten. Als nervös agierender Maler im dritten Teil des Triptychons konnte er sein komödiantisches Talent voll ausleben. Cornelia Boese stellte eine strenge Museumsführerin dar, Gaby Segert die Attentäterin.

 Die musikalische Leitung des Abends hatte Alexis Agrafiotis inne, der die Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Würzburg  sehr temperamentvoll dirigierte und vor allem im zweiten Teil zu einer Lautstärke trieb, die durch die Akustik der Museumsräumlichkeiten fast schon schmerzhaft war. Die Partitur des Komponisten war teils seriell, teils atonal, hatte aber auch reizvolle Töne, wie beispielsweise die verzerrten Walzerklänge im „Gespensterhaus“.

 Das Publikum, das im zweiten Stock des Museums im Kulturspeicher auf Klappstühlen saß, die es für den zweiten Teil des Triptychons in den Nebensaal, wo auch das Orchester spielte,  und für den dritten Teil wieder zurück in den ersten Saal mitnehmen musste, war sehr nahe am Geschehen und nahm so manche Szene schmunzelnd auf. Lang anhaltender Beifall am Schluss für alle Mitwirkenden.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

Diese Seite drucken