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WUPPERTAL: DIE FLEDERMAUS. Premiere

29.09.2013 | KRITIKEN, Oper

WUPPERTAL: DIE FLEDERMAUS – Premiere am 27.9.2013  (Werner Häußner)

 Operette – einst die Brot- und Butter-Gattung deutscher Stadttheater, ist an vielen Häusern weit in den Hintergrund getreten. Operetten-Ensembles mit ihren Diven, Liebhabern und Komikern gibt es nicht mehr. Das Repertoire, so man überhaupt noch davon sprechen kann, ist auf ein paar Titel zusammengeschrumpft. Dramaturgen-Fantasie glänzt meist durch Abwesenheit. Man müsste nur bei Volker Klotz nachsehen – doch trotz dessen flammenden Plädoyers für die Gattung bleibt es bei diversen Fledermäusen, Lustigen Witwen und Csárdásfürstinnen. Dazu hin und wieder missverstandener Offenbach oder eine Galoppade des weißen Röss’l.

Auch in Wuppertal setzt Intendant Johannes Weigand nun auf den allüberall totinszenierten Klassiker „Die Fledermaus“: Eine Auswahl, die sicher nicht für die künstlerische Auffrischung einer vernachlässigten Gattung steht. Dabei ist ihm alles andere als die bequeme Bedienung eines bräsigen Publikums vorzuwerfen: In der letzten Spielzeit etwa landete Wuppertal mit Wolfgang Fortners „Bluthochzeit“ eine der besten Opernproduktionen in Nordrhein-Westfalen. Und aus Eduard Künnekes „Glücklicher Reise“ zauberte Weigand eine leichthändige, mit lässigem Sentiment gewürzte Petitesse – ein Glücksfall für die Operette.

Die neue „Fledermaus“ nimmt er leicht, aber nicht leichtfertig: eine konzentrierte Personenführung, pointensicher, aber nicht kalauernd, heiter, aber ohne die peinliche Brechstangen-Lustigkeit, die dem musikalischen Flattertier oft szenisch Flügel machen soll. Der Bühne von Moritz Nitsche merkt man das Krisenprodukt an. Zwar funktioniert die Idee: Die beschränkte, scheinmondän tapezierte Enge von Eisensteins Salon wird in der Kellerkammer des „fidelen Gefängnisses“ von Etablissementsdirektor Frank wieder aufgegriffen. Aber dem Fest Orlofskys, das im Freien im barock gestutzten Park eines Palais‘ stattfindet, fehlt der großzügige Luxus. Der Prinz ist einmal kein anämischer Jüngling, sondern ein blonder, fetter Wohlstandsrusse, dreist, aber ohne Melancholie. Joslyn Rechter übertreibt’s mit dem Akzent, singt aber mit sicherem Wohllaut.

Zwischen Klavier und Kanapee baut sich das Dramolett auf, als der frühere (und vielleicht eigentliche?) Liebhaber der jetzo verehelichten Frau von Eisenstein (Christian Sturm) arienschmetternd wieder auftaucht. Banu Böke als Rosalinde steckt ihm geschickt durchs offene Fenster die dienlichen Hinweise auf das bevorstehende Einsitzen des Gatten. Wie wir wissen, ist es ein Abschied auf Zeit. Man trifft sich wieder auf dem Feste: Kay Stiefermann als schwerstimmiger grisettengieriger Eisenstein, nicht mit dem eleganten Konversationston alten Adels, sondern dem schmierigen Imitat des Emporkömmlings; Banu Böke als ungarische Gräfin in einer grandiosen roten Robe Judith Fischers, leider in ihrem „Csárdás“ nicht frei und ohne Anflug von maliziöser Doppelbödigkeit. Und Adele – Elena Fink – mit leicht geträllerten Couplets ohne den nur an einer Stelle passenden stubenmadeltypischen Quietscher, obwohl sie mit ihrer „Schwester Ida“ (Annika Boos) als erst „angehende“ Künstlerin firmiert. Als solche muss sie sich stimmlich keineswegs verstecken, und nicht nur Olaf Haye als Frank findet Gefallen an dem feschen Geschöpf.

Für den flotten Fluss der Ohrwürmer sorgen die Wuppertaler Sinfoniker unter Florian Frannek, der schon die Ouvertüre leicht und plastisch ausformt, manchmal aber vergisst, dass in Wien das Metrum etwas lasziver schwingt als im Rest der Welt. Gregor Henze versucht als Frosch erst gar nicht, die schwer erreichbaren Wiener Originale wie Josef Meinrad, Otto Schenk oder Helmut Lohner zu imitieren. Er macht aus der Rolle einen böhmischen „Froschek“ und durchbricht mit schräg-trockenem Humor einmal die Phalanx der alten Kalauer. – Eine sauber inszenierte „Fledermaus“, gestaltet mit solidem Regie-Handwerk, das heute nicht mehr selbstverständlich ist.

Werner Häußner

 

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