Ein Förster horcht – Leos Janacek: Das schlaue Füchslein / Opernhaus Wuppertal, Premiere 12. Mai 2012
Erste Szene. Foto: Stratmann
Der Förster betritt die Bühne, lauscht. Ähnlich wie Prospero in Shalespeares „Sturm“ und in der Opernadaption von Calvino/Berio sinniert traumvereloren der Förster bei Janacek über den Sinn und den Lauf des Lebens. Es ist ein verfallenes Theater, die Logen haben an Glanz verloren nur der eiserne Vorhang erfüllt seine Aufgabe mit eherner Würde. Mit den ersten Takten der einsetzenden Musik fährt er hoch, wir blicken auf einen verfallenen Theaterraum, der einst bessere Zeiten gesehen hat, Moos und Schwamm befallen die Wände. Trotz dieser morbiden Stimmung atmet der Raum (Bühnenbild Stephan Mannteuffel) eine magische Poesie, die Tierwelt nur andeutenden Kostüme Veronika Lindners und die ausgefeilte stets stimmungsvolle Lichtregie von Henning Priemer unterstützen das aufs Feinste.. Aurelia Eggers ließ sich für ihr Wuppertaler Konzept vom schwärmerischen Ausspruch des verliebten Fuchses in Füchslein Schlaukopf inspirieren: „Über Dich wird man Opern und auch Romane verfassen“.
Eggers überstrapaziert in ihrer Inszenierung das Kindliche wohltuend nicht, verzichtet auf allzu niedliche Choreographien in Chintzkostümen. Vielmehr legt sie ihr Gewicht auf die von Janacek neben der Waldidylle intendierte politische Fabel, die dem Zuschauer mit gemäßigten sozialkritischen Andeutungen den Spiegel vorhalten sollte. In der Übersetzung Peter Brenners kommt das leicht ironisch rüber und rückt das Füchslein in die Nähe des Satirikers Karel Capek von dem Janacek ja später „Die Sache Makropoulos“ vertonen sollte. So wird der Dachs, den Schlaukopf als Kapitalisten beschimpft zum weißbefrackten Zigarrerauchenden Unternehmer, der die ihn Untergebenen Wühlmäuse und Maulwürfe zu Frondiensten zwingt. Der Dachs ein Alberich der mährischen Wälder. Blöd einher stolzierend präsentiert sich der Hahn als GröFaZ-Parodie mit seiner Keulenschwingenden Hühnerkamptanztruppe. Für die Hochzeit findet das Team magische Bilder so die im Mondlicht in tollkühner Luftakrobatik tanzende Libelle Assia Schneider). Grille (Ute Temizel) und Heuschreck (Jaroslaw Nowaczek) präsentieren ihren Gesang gleich mit einem transportablen Grammophon, die Mücke (Se-hyuk Im) übt sich mit barockem Dreizack im Degenfechten. Das atmet den Zauber exotischer Feerien, wohingegen die erotisch letale Auseinandersetzung zwischen dem Wilderer Haraschta und der Füchsin hier schon Lulus Ende durch Jack the Ripper vorwegnimmt, eine kühn gewagte Sichtweise, musikalisch aber frappierend ähnliche Strukturen aufweist.
Überhaupt ist die musikalische Auslotung der kostbaren Partitur Janaceks durch den Wuppertaler GMD Hilary Griffiths ein Hochgenuß. Im Graben des Sinfonieorchester Wuppertal brodelt es: Da Zirpen Grille und Heuschreck, Myriaden von Mücken flirren irrisierend herauf, dass es eine Wonne ist. Griffiths hält den großen Spannungsbogen den ganzen pausenlos gespielten Abend über. Der Kreislauf des Lebens schnurrt an uns vorüber, unaufhaltsam, wie das Leben selbst. Das homogen auftrumpfende Ensemble wird beherrscht vom hünenhaften Förster, den Derrick Ballard mit markantem Baßbariton und einem Anhauch von Depardieu-Charisma versieht. Trotz der raubeinigen, vom Libretto so angelegten, Schießwut hat man Sympathie mit dem sinnierenden Waidmann. Seinem dunklen Widerpart, dem Wilderer Haraschta verleiht Olaf Haye sinistre Töne. Ein Finsterling auch KS Ulrich Hielscher als grimmiger, bärbeißiger Grimbart. Als Pfarrer schlägt das Kölner Baßurgestein versöhnlichere, balsamische Töne an. Dorothea Brandts Füchslein Schlaukopf gefällt mit ihrem anmutigen Spiel, tut sich aber mit den Höhenflügen der Koloratur etwas schwer. Ein schwärmerischer Galan mit umschmeichelnder Kantilene, so trumpft Joslyn Rechter als Goldfuchs auf. Mit der Liebe hat Boris Leisenheimer als unglücklicher Schulmeister wie als läufiger Dackel seine liebe Not. Den einen läßt er schmachtend leiden, dem tierischen Widerpart versieht er mit hingebungsvoller jaulender Leidenschaft. Köstlich in ihrer Führerrolle als dummdreist stolzer Hahn Julia Klein, unterstützt von der köstlichen Schöpfhenne Barbara Prickenhahns in Primadonnenpose. Kinder- und Opernchor der Wuppertaler Bühnen in der Einstudierung Jens Bingerts zeichneten sich durch Spielfreude in perfekter Tongebung aus.
Der Hühnerhof. Foto: Stratmann
Ein poetischer Abend mit einem Hauch Melancholie, dem das Wuppertaler Publikum dankend zujubelte. Nicht unbedingt als Kinderoper inszeniert, ist der Abend aber doch „familientauglich“ als Einführung und zum Eintauchen in das großartige Abenteuer Opern- und/oder Theatermagie.
Dirk Altenaer