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WÜRZBURG/ Mainfrankentheater: GÖTTERDÄMMERUNG

Reicher Fundus der Museumslandschaft

10.06.2019 | Allgemein, Oper

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Elena Batoukova-Kerl, Paul McNamara. Foto-Copyright: Nik Schölzel/Fotograf Mainfrankentheater Würzburg

Richard Wagners „Götterdämmerung“ am 9.6.2019 im Mainfrankentheater/WÜRZBURG

Reicher Fundus der Museumslandschaft

In der Inszenierung von Tomo Sugao (Bühnenbild: Paul Zoller; Kostümbild: Carola Volles) wird die Welt von Wagners „Götterdämmerung“ in eine Museumslandschaft getaucht. Der Tod des Helden Siegfried führt die Erzählung um Walhall, Wotan und die Walküren zu ihrem Ende. Der von Brünnhilde entfachte Weltenbrand sühnt die Schuld des Nibelungen Alberich, nämlich den Raub des Rheingolds. Auf der Bühne sieht man große silberne Skulpturen in überdimensionalen Kästen mit der Aufschrift „Siegfried“, „Brünnhilde“, „Wotan“ oder „Weltesche“. Das ganze mythologische Geschehen bekommt eine kaleidoskopartige Aura.

Gleich zu Beginn setzt sich Alberich mit einem Kind auseinander, noch bevor die Nornen erscheinen. Die erste Begegnung von Brünnhilde im traditionellen Walkürengewand und Siegfried zwischen einem umgestürzten Pferd und gespenstischen Traumfiguren wirkt ausgesprochen monumental – alles löst sich dann in der Gibichungenhalle zugunsten einer klamaukhaften Stimmung auf. Das bunte Treiben nimmt hier bewusst clowneske Züge an, die sich noch verdichten. Der schlossähnliche Saal besitzt dabei etwas Unwirkliches und Durchsichtiges, er wird immer wieder hochgezogen. Das Bühnenbild besitzt hier nicht die überzeugende Wirkung des Beginns. Neuerungen bringt auch der zweite Akt in der Begegnung mit Alberich und Hagen, es kommt hier zu heftigen Auseinandersetzungen und beischlafähnlichen Szenen zwischen Alberich und Hagens Mutter, da gelingen dem Regisseur Tomo Sugao alptraumhafte Sequenzen, die sich tief einprägen. Wie Hamlet in Shakespeares gleichnamiger Tragödie, erhält auch Hagen den Auftrag zur Rache vom eigenen Vater: „Sei treu, Hagen, mein Sohn!“  Unter dieser Gehirnwäsche leidet Hagen sein Leben lang. Schwächer wirkt dagegen Hagens Ruf an die Mannen, die hier wie moderne Manager erscheinen, die von ihren Gespielinnen begleitet und bedrängt werden. Nornen und Rheintöchter erscheinen in der Inszenierung immer wieder, sie besitzen quasi starke szenische Leitmotive und führen zuletzt sogar den Gott Wotan vor. In Tomo Sugaos Inszenierung erhalten diese Figuren eine wesentlich größere Präsenz als sonst. Mit dem Kind gehen sie teilweise rüde um.

Zwischen den Felsen scheinen Flammen zu züngeln. Das wiederholt sich dann bei Brünnhildes Schlussgesang, wo die Bühne auch von Nebelfluten erfüllt ist. Der Hintergrund wird horizontartig erweitert, der durchsichtige Saal der Gibichungenhalle hochgezogen. Es gibt bei dieser Inszenierung starke und schwächere Bilder, doch die szenischen Einfälle beeindrucken aufgrund einer erstaunlichen Fülle. Carola Volles stellt die Wagner-Figuren und mythologischen Götter als großen Kontrast zu der karikierten „Menschenwelt“ der Gibichungen dar. Diese Museums-Welt wird lebendig und behält im Aufeinandertreffen mit der Welt der Gibichungen ihre Andersartigkeit bei. Die Gibichungen sind dabei eine grell überzeichnete und bornierte Politiker-Gesellschaft. Brünnhilde wird hier zur Furie, die als furchterregendes Weib ihren Mann Gunther in die Ecke schleudert.

Doch rein musikalisch sticht diese Aufführung unter der elektrisierenden Leitung von Enrico Calesso noch weit stärker heraus als szenisch. Die Bearbeitung dieser „Götterdämmerung“ für Soli, Chor und mittelgroßes Orchester von Eberhard Kloke überzeugt durch die Beibehaltung von Basstrompete, Wagnertuben, Kontrabassposaune und Stierhörnern. Das ist dann auch besser gelöst wie in der Coburger Fassung. Außerdem führt Kloke Instrumente ein, die Wagner noch nicht nutzte oder kannte – nämlich die Celesta als klangliche Erweiterung der Harfensprache. Die Altflöte wird hier zum Bindeglied innerhalb der Holzblasinstrumente und die Xylorimba verdeutlicht den Klang der Bodenlosigkeit. Enrico Calesso vermag den Themenbestand mit leitmotivartiger Verknüpfung mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg gut zu bündeln. Kleinere Intonationsschwächen fallen dabei nicht ins Gewicht. Vor allem gelingt es ihm, die Sängerinnen und Sänger gut zu tragen.

Dies betrifft in erster Linie die mit strahlkräftigen Spitzentönen und voluinöser Fülle aufwartende Elena Batoukova-Kerl als Brünnhilde. Sie bietet bei Brünnhildes Schlussgesang eine so feurige und glutvolle Interpretation, dass man dabei an große Vorgängerinnen denkt. Aber auch Paul McNamara kann ihr als Siegfried mit ebenmäßigem Timbre klangschöne Kantilenen entgegensetzen. Die leitthematische Wandlung überträgt sich bei dieser feinnervigen Interpretation auch auf Guido Jentjens als Hagen und Igor Tsarkov als Alberich, wobei man sich für den Hagen eine noch etwas stärkere voluminöse Profilierung gewünscht hätte. Auch das Dämonische und Schwarze dieses tiefen Basses kommt zuweilen etwas zu kurz.

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Paul McNamara, Akiho Tsujii, Silke Evers und Hiroe Ito. Foto-Copyright: Nik Schölzel/Fotograf Mainfrankentheater Würzburg

Umbildung und Neuknüpfung der Motive werden dabei von einer ewigen Melodie ergänzt, deren unwiderstehlichen Zauber Enrico Calesso mit dem Orchester plastisch betont. Hier triumphiert insbesondere Elena Batoukova-Kerl. In weiteren Rollen gewinnen Kosma Ranuer als Gunther und Claudia Sorokina als Gutrune durchaus Format. Als Waltraute kann Sandra Fechner die Zuhörer in starker Weise fesseln. Als erste, zweite und dritte Norn gefallen ferner Marzia Marzo, Barbara Schöller und Silke Evers. Und als Woglinde, Wellgunde und Floßhilde überzeugen ferner Akiho Tsujii, Silke Evers und Hiroe Ito.

Anton Tremmel hat den Opernchor und Extrachor des Mainfrankentheaters Würzburg in packender Weise einstudiert. Die chorische Polyphonie wird so in bemerkenswerter Weise betont. Dass der Komponist das schwungvolle Motiv der Liebesallgewalt als musikalischen Träger benutzt hat, macht Enrico Calesso bei  seiner schwungvollen Wiedergabe mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg sehr gut deutlich. Vor dem Vorhang spielen sich dann bei Hagens letztem Ruf nach dem Ring erregende Szenen ab, wobei die Rheintöchter den Albensohn letztendlich mit einem großen Vorhang verhüllen und mit sich ziehen. Die Sogwirkung dieser letzten Szene überträgt sich stark auf die musikalische Gestaltung, deren Intensität nicht nachlässt. Das Motiv der Liebesallgewalt verknüpft sich in Engführungen sphärenhaft mit dem Siegfried-Motiv. Hagen stürzt sich auf den Ring mit wilder chromatischer Gegenbewegung von Sext-Akkorden, wobei sich die einzelnen Motive hier in einer unglaublichen Atemlosigkeit bündeln. Für das Liebeserlösungsthema bleibt jedoch am Schluss genügend Atem und Ausdruckszauber. Insgesamt kann man in jedem Fall sagen, dass diese vom Wagner-Verband Würzburg geförderte Aufführung eine hervorragende Produktion ist, die manch andere Konzepte überflügelt.

Entsprechend groß war der Beifall, der in Ovationen mündete (Kinderstatisten: Friedrich Boenisch, Emil Harbas bei Hagen sowie Lovis Iristay, Till Simon, Tilman Weigand bei Siegfried). 

Alexander Walther

 

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