Wolfgang Jansen:
VARIETÉ
Geschichte – Spielstätten – Kontexte
Gesammelte Schriften zum Populären Musiktheater,
Band 2
306 Seiten, Verlag Waxmann, 2022
Zählt Varieté zu „Kunst und Kultur“ oder ist es schlicht verkleinertes zirkusartiges Entertainment? Woraus besteht es eigentlich – ein Mischmasch aus Musik, Sketch, Akrobatik, Tanz, frechem Zugehen auf das Publikum? Aber unleugbar ist die Tatsache, dass es sich um ein kulturhistorisches einst höchst lebendiges Phänomen der Unterhaltungsbranche handelte, wenn auch mehr historisch fixierbar als gegenwärtig relevant.
Ein Buch über diese schwer definierbare Kunstform ist nun in der Reihe „Gesammelte Schriften zum populären Musiktheater“ im Waxmann Verlag erschienen. Autor Wolfgang Jansen, der schon Bücher über den Komponisten Willi Kollo und das Genre des Musicals vorgelegt hat, setzt sich nun auf die Spuren des Varietes – und blendet dabei zurück bis in die Anfänge im 19. Jahrhundert.
Der Autor hat zu diesem Thema unendlich fleißig gesammelt und auch schon vieles publiziert, dieses Buch stellt also viele Aufsätze zusammen, die sich mit einzelnen Schwerpunkten befassen, etwa der alten Unterscheidung zwischen „U“ und „E“, wobei Varieté ja doch eindeutig zum „U“ zu zählen ist, weil es – in Biergartenatmosphäre, wo an Tischen gegessen und getrunken wurde – nie auf Anspruch ausgerichtet war, sondern immer nur auf zielgenaue Unterhaltung eines Publikums, das nicht zu den elitären Oberschichten zählte. Gerade im Bezug auf die Besucher ist die Thematik sozialpolitisch besonders interessant.
Zwischen „Tingeltangel“ und „literarischem“ Varieté, aus dem das Kabarett erwuchs, gibt es vieles zu bedenken, und gerade die Vielfältigkeit der Möglichkeiten macht das Thema spannend. Natürlich spielt hier auch die Erotik mit, das Kokettieren mit dem „Unanständigen“ (und der Aufschrei „braver Bürger“, die nur heimlich dorthin gingen, nach „moralischer Sauberkeit“).
Allerdings beschränkt sich der Autor auf Deutschland mit Schwerpunkt Berlin, wo er für die zentrale Epoche zwischen 1890 und 1930 unendlich viel Material ausbreiten kann (in den neunziger Jahren erwachte das Genre neu, ohne heute eine große Rolle zu spielen – in Österreich ist es nicht mehr vorhanden). Dennoch wäre der Bogen zu den englischen Musical Halls, zum französischen Moulin Rouge zu schlagen gewesen, schließlich hat es sich um eine all-europäische Erscheinung gehandelt. Das Bildmaterial reicht bis zu den Schwestern Wiesenthal und komplettiert ein Thema, das hier allerdings wissenschaftlich und nicht so populär aufgearbeitet wird, wie es auch möglich gewesen wäre.
Renate Wagner