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WIEN/ Staatsoper: LA FANCIULLA DEL WEST. Premiere

05.10.2013 | KRITIKEN, Oper

LA FANCIULLA DEL WEST – Premiere/Staatsoper am 5.10.2013

(Heinrich Schramm-Schiessl)

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Jonas Kaufmann. Foto: Barbara Zeininger

 „Sie sei zum Sterben zu stark, aber zum Leben zu schwach“ hat einmal jemand über Puccinis „Western-Oper“ gesagt und irgendwie stimmt das auch. Man hat das Gefühl, als hätte den Komponisten bei diesem Werk, mit Ausnahme des 2.Aktes und hier insbesonders der grandiosen Poker-Szene, seine sonst so untrügliche Theaterpranke verlassen. Vor allen Dingen der ziemlich lange 1. Akt hat Längen und – sieht man von der Arie des Rance („Minnie, alla mia casa“) vielleicht einmal ab – kaum Höhepunkte. Ebenso der, allerdings kürzere, 3. Akt, der zwar das bekannteste Stück – Johnsons Arie „Ch‘ella mi creda“ – enthält, aber am Schluß musikalisch etwas im Sand verläuft.

In Wien hat sich das Werk allerdings lange großer Beliebtheit erfreut. Schon 1913, also drei Jahre nach der New Yorker Uraufführung, gab es die erste Produktion an der Staatsoper mit Maria Jeritza, Alfred Piccaver und Rudolf Hofbauer. Diese Produktion stand 53 mal am Spielplan und wurde 1936 durch eine Neuproduktion mit Vera Schwarz, Alfred Piccaver und Alfred Jerger ersetzt, die man allerdings nur 7 mal gab. Nach dem Krieg kam es dann 1952 noch zu einer Neuproduktion im Ausweichquartier Volksoper mit Ljuba Welitsch, Josef Gostic und Karl Kamann (16 Aufführungern), in der 1953 auch Maria Jeritza noch 2 mal auftrat. Dann war es lange still um das Werk – sieht man von einer Runfunkproduktion unter Rudolf Moralt mit Gerda Scheyrer, Waldemar Kmentt und Paul Schöffler im Jahre 1958 ab – bis es im Juni 1976 als letzte Premiere der Direktion Gamsjäger wieder auf den Spielplan kam. In der Besetzung Carol Neblett, Franco Bonisolli und Giangiacomo Guelfi verlief diese Premiere trotz der hervorragenden musikalischen Leitung durch Silvio Varviso ähnlich sang- und klanglos wie die ganze Ära Gamsjäger. Erst spätere Aufführungen mit Giuseppe Taddei oder Placido Domingo sorgten für etwas Aufsehen, aber auf mehr als 25 Aufführungen brachte es auch diese Produktion nicht.

Nun probiert man es also wiede einmal. Zugegeben, die Zeiten haben sich geändert und der Zugang zu seltener gespielten Werken ist ein anderer geworden, aber meine Meinung zu dieser Oper hat sich trotzdem nicht geändert. Vielleicht liegt es auch am Gesamteindruck der Aufführung, vor der man sich möglicherweise mehr erwartet hat – aber warum eigentlich? Die Besetzung ist, sieht man davon ab, dass Jonas Kaufmann damit seine erste Wiener Premiere und damit seine erste für das Haus erarbeitete Rolle hatte, nicht wirklich sensationell. Und Kaufmann ist es auch, der im Ganzen gesehen, die beste Leistung des Abends bietet. Sein Dick Johnson ist gefühlsbetont und mit schöner Stimme gesungen, auch wenn gewisse Grenzen seiner (derzeitigen) Möglichkeiten aufgezeigt werden. Manche Passagen – vor allem im 2. Akt – gelingen ihm sehr gut. Von der Rollengestaltung her fehlt mir etwas das Verwegene – den Räuberhauptmann, den alle fürchten, glaubt man ihm nicht ganz.

Nina Stemme als Minnie hat bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Dass die Stimme für das italienische Fach nicht wirklich geeignet ist, wissen wir. Allerdings hat sie sie sich für diese Rolle eine Art des Singens zurecht gelegt, die durchaus effektvoll ist, aber auch gewisse Beeinträchtigungen, speziell in den extremen Höhen nach sich zieht. Was leider zur Gänze fehlt, ist der spezielle Puccini-Klang, den man sich natürlich auch in dieser Rolle wünscht. Andererseits fallen mir nicht viele Alternativen ein, zumal auch in der Vergangenheit die meisten großen Puccini-Sängerinnen, sieht man einmal von Olivero und Tebaldi ab, diese Rolle eher gemieden haben. Darstellerisch ist sie bemüht, kann allerdings nicht ganz klar machen, warum sich die Männe ihretwegen in die Haare geraten.

Überhaupt nicht gegfallen hat mir hingegen Tomasz Konieczny als Jack Rance. Er ist einfach ein Charakterbariton mit einer nicht sehr schönen Stimme, die noch dazu kaum wirklich zum Klingen kommt. Sicher, diese Rolle ist eine sogenannte „Charakterrolle“, aber bei vielen Passagen würde man doch gerne einen richtigen Klang hören. Auch darstellerisch bleibt er relativ blass, sodass vor allen Dingen die Pokerszene eigentlich wirkungslos bleibt. Den übrigen Mitwirkenden – ein großer Teil des Herrenensembles des Hauses – sei ein Pauschallob ausgesprochen.

 Am Pult des Staatsopernorchesters, das natürlich wie immer bei Puccini seine Meriten ausspielen konnte, stand Franz Welser-Möst, und es war vor allen Dingen laut. Sicher, die Partitur geht in diese Richtung, aber etwas mehr Differenzierung wäre hier durchaus gefragt gewesen. Speziell im 2. Akt hätte man die Gefühle der einzelnen Personen mehr herausarbeiten können.

Der von Martin Schebesta einstudierte Chor entledigt sich seiner Aufgabe zufriedenstellend.

 Die Inszenierung hinterlässt ebenfalls einen zwiespältugen Eindruck. Marco Arturo Marelli – wie immer auch sein eigener Bühnenbildner – ist zwar alles andere als ein Publikumsschreck,  aber den jeweils aktuellen Moden der zeitaktuellen Regie verfällt auch er manchmal. Derzeit dürften Baucontainer und Imbissbuden en vogue sein. Der erste Akt ist daher kein Western-Saloon, sondern ein Containerdorf mit Imbissbude, deren Besitzerin Minnie ist – und der dritte Akt kein Western-Wald, sondern das Abstellgeleise eines Güterbahnhofs, ebenfalls aus Containern errichtet. Dabei hätte Marelli solche Mätzchen gar nicht nötig, gelingt ihm doch eine durchaus interessante Personenregie.

Die Kostüme von Dagmar Niefind sind dem Stil der Inszenierung angepasst. Die in der Pause vielfach geäußerte Kritik an der Farbe de Haare von Minnie – hier war mehrfach von Pipi Langstrumpf oder Pumuckl die Rede – kann ich nicht wirklich teilen, lediglich der Schnitt hätte etwas weniger strubbelig ausfallen können.

 Am Ende gab es viel Jubel für alle Beteiligten, den ich nicht wirklich nachvollziehen kann. Sogar das Regieteam bekam etwas davon ab und blieben ihm Mißfallensäußerungen erspart. Ob dieser Produktion jedoch ein längeres Leben als den vorigen verausgesagt werden kann, bleibt abzuwarten.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

 

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