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WIESBADEN/ Hessisches Staatstheater: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG

Ein Seniorenstift für die ehrwürdigen Meister

04.10.2018 | Allgemein, Oper

Staatstheater Wiesbaden „Die Meistersinger von Nürnberg“
Vorstellung vom 03.10.2018
Ein Seniorenstift für die ehrwürdigen Meister


1. Akt. Copyright: Karl und Monika Forster

Das Team für die szenische Umsetzung

Regie Bernd Mottl, Bühne und Kostüme Friedrich Eggert.
Choreographie Myriam Lifka, Licht Klaus Krauspenhaar, Dramaturgie Regine Palmai

In den “Meistersingern“ trifft im Generationskonflikt die moderne Jugend auf eine konservative Gesellschaft, das Traditionelle auf den unausweichlichen Fortschritt und die nach alten Regeln verfasste Musik auf eine freie zukunftorientierte Ausdrucksweise. Nicht zu vergessen die sogenannte Prügelszene im zweiten Akt und die Schlussansprache des Hans Sachs mit der umstrittenen politischen Manifestation auf die deutsche Kunst, die oftmals falsch verstanden wird und für propagandistische Ziele missbraucht wurde.
Weil dieser Sachverhalt in unterschiedlicher Form in vielen Inszenierungen schon ausgiebig thematisiert wurde, hat die Regie in ihrer Darstellung auf einen politischen Inhalt verzichtet. Anstelle einer politischen Lehrstunde wurde dem Publikum eine zeitgemäße, gesellschaftskritische, spannende, heitere und vor allem zu Beginn des dritten Aktes, eine melancholische Handlung präsentiert, die zurecht am Ende mit viel Beifall bedacht wurde. Im Vordergrund steht die Thematisierung einer einst erfolgreichen Generation und der Umgang der Jugend mit dieser alternden Gesellschaft. Viele Passagen sind demnach Erinnerungen aus dem Leben von Hans Sachs.

Der 1. Akt spielt in einer Gaststätte, gleichzeitig hört man eine Probe des Chorals hinter einem nicht einsehbaren Festsaal und man erkennt, als Eva den Proberaum verlässt, dass sie mit Walther von Stolzing in seiner Motorradkluft, schon länger eine innige Beziehung hat. In den folgenden Akten wird man feststellen, dass die Schusterstube nach der Kriegszerstörung einem Gebäudekomplex mit Seniorenheim für die alten Meister und der Gaststätte “Alt Nürnberg“ weichen musste. Die gealterte und ein wenig übertriebene gebrechliche Meistergilde trifft sich zu der bekannten Auseinandersetzung. Weil Stolzing einem Wunsch von Eva (Für dich, Geliebte, sei´s getan), der Tochter des Meisters Pogner, entsprechen will, nimmt er an dem Wettbewerb mit Beckmesser mit Franz Liszt Frisur, teil, was natürlich nicht ernst gemeint ist.

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Foto: Karl & Monika Forster 2. Akt Oliver Zwarg

Im 2. Akt ist der absolute Höhepunkt, die sogenannte Prügelszene, bei der die Jugend mit großer Begeisterung in Punk- und Halloween Kostümen mitmacht und sich dabei prächtig amüsiert.

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Foto: Karl & Monika Forster 3. Akt: Oliver Zwarg und Betsy Horne

Im 3. Akt ist die Schusterstube der Behausung von Hans Sachs im Seniorenstift gewichen. In Verbindung mit der nachdenklichen Komposition und den einhergehenden auf eine Wand projizierten Bildern, die in unterschiedlicher Reihenfolge das ereignisreiche Leben von Hans Sachs in Kurzform zeigen, wird der Besucher von großer Wehmut begleitet, vielleicht der Höhepunkt dieser Inszenierung, bestimmt aber ein bewegender Moment. Die “Festwiese” wurde dann in den Festsaal des Gasthauses verlegt und die Schlussansprache des Hans Sachs wird von den Teilnehmern ignoriert, weil sich die fröhlich gestimmten Besucher ihre gute Laune nicht durch ein politisches Manifest vermiesen wollen.

Insgesamt eine erfolgreiche Inszenierung, die vor allem auch die jugendlichen Besucher anspricht und einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Patrick Lange und das Hessische Staatsorchester Wiesbaden mit erfolgreicher Darbietung

Mittlerweile ist das Orchester des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden unter der Leitung des GMD Patrick Lange zu einer homogenen Einheit zusammengewachsen, was in früheren Jahren oftmals vermisst wurde. Seine Tempi sind differenziert und folgen einem durchdachten Prinzip. Während die Ouvertüre noch im Schnelldurchgang ablief, führten der Flieder- und der Wahnmonolog mit ihren gedehnten Tempi zu einem beeindruckenden Hörerlebnis. Die gelegentliche missglückte Koordination von Blech zu den übrigen Orchesterteilen kann man bedenkenlos übergehen. Insgesamt kann man orchestral von einer bemerkenswerten Leistung sprechen, wenn man die akustischen Probleme des Hauses berücksichtigt. Chor und Extrachor unter der Leitung von Albert Horne, sorgten vor allem im dritten Akt für eine ausgelassene Stimmung.

Die sängerische Gesamtleistung mit positiven Höhepunkten

Oliver Zwarg, hat mit seiner Interpretation einen souveränen, stimmlich hervorragenden Sachs abgegeben und bis zum Ende ohne Verschleißerscheinungen durchgehalten. Diese Partie gehört neben dem “Wotan” zu den schwierigsten Wagnerpartien.
Thomas de Vries hat mit seiner Alberichstimme dem Sixtus Beckmesser trotz seiner heiteren Einlagen, eine eher respektvolle Erscheinung abgegeben, eine grandiose Leistung.
Marco Jentzsch als Walther von Stolzing konnte mit seinem modernen Outfit und seiner Figur darstellerisch überzeugen und war mit seiner kräftigen Stimme, die auch die lyrischen Passagen hervorragend beherrschte, der richtige Partner von Betsy Horne als Eva, die mit ihrer ausgereiften Stimme fast mühelos alle Höhen meisterte. Das Gleiche kann man von dem Paar, Magdalene, Margarete Joswig und David, Erik Biegel behaupten. Auch die nicht namentlich erwähnten weiteren Sängerdarsteller hatten einen maßgeblichen Anteil an der erfolgreichen Darbietung dieser Vorstellung.

Mit der “Frau ohne Schatten”, dem “Ring”, dem “Tannhäuser” und den “Meistersingern” hat das Staatstheater Wiesbaden erfolgreiche Produktionen geschaffen und dafür die entsprechende Würdigung verdient.
Weitere Termine: 14.10.2018, 04.11.2018, 22.04. 2019, 30.05.2019

Franz Roos

 

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