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WIEN/Theater an der Wien: COSÍ FAN TUTTE Konzertant letzte Vorstellung

30.03.2014 | KRITIKEN, Oper

WIEN/Theater an der Wien
COSI FAN TUTTE    Konzertant
2. und letzte Vorstellung am 29.3.2014

 

Mit der gestrigen Aufführung von Così fan tutte endete schon die Mozart/da Ponte-Trilogie, die Nikolaus Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus Wien einstudiert hat.

Die eigenwillige Legende

Die eigenwillige Legende

Die erste Vorstellung der Così wurde im MERKER-Online von zwei Rezensenten besprochen; beide hatten auch Figaro und Don Giovanni besucht, also das Gesamtprojekt gehört. Deren Hörerlebnis ist damit umfassender als meines, die ich quasi als „Quereinsteigerin“ lediglich die letzte Vorstellung besucht habe, und beide Rezensenten waren auf die musikalischen Besonderheiten von Nikolaus HARNONCOURTs Leitung der Oper vorbereitet und „eingehört“. Wie klang nun diese „semikonzertante“ Così für einen Neueinsteiger?

Ein oft schroffer, schneidender Orchesterklang, ungewöhnliche Tempi vorallem im ersten Akt, aber auch wieder bisher nicht gehörte subtile Details und exquisite Klänge – es ist ein ziemliches Kalt/Warm, das Harnoncourt seinen Zuhörern vorsetzt. Ich habe beispielsweise Despinas „Una Donna a quindici anni“ noch nie so langsam gehört – keine unbeschwerte, quirlige Arie, sondern eine eindringliche Lektion, die Despina ihren Damen gibt. Auch die Ensembleszene am Ende des ersten Akts, in dem die Damen immerhin an den drohenden Vergiftungstod ihrer Verehrer glauben und einen Arzt suchen lassen, bis zum „Dammi un bacio, mio tesoro“ ging in erstaunlicher und mich nicht überzeugender Langsamkeit vor sich – dieses Finale steigerte sich dann aber wieder ganz wunderbar in Klang und auch Tempo.

Bis auf eine Ausnahme war auch die Besetzung, für die Harnoncourt zum Teil ungewöhnliche Stimmlagen wählte, ausgezeichnet: Elisabeth KULMAN wurde bereits nach der ersten Vorstellung einhellig gelobt, dem kann ich mich nur anschließen. Erstaunlich, wie leicht diese wunderbare Fricka und Brangäne zarte Mozartklänge singt, das Wagnis, die sonst meist sehr hell besetzte Despina von einem Mezzo singen zu lassen, hat sich gelohnt, und es ändert den Charakter der Despina auf eine interessante Weise: Kulmans Despina ist nicht nur stimmlich meilenweit entfernt vom oft soubrettenhaften koketten Kammerkätzchen. Bei allem Charme und Witz, den Kulman zeigt, ist ihre Despina weit revolutionärer eingestellt als die meisten Figaros, sie missgönnt ihren Damen nicht nur die Schokolade – hier in fester Form – sondern macht sich mit sehr expressiven Tönen offen über sie lustig und treibt sie bewusst ins Unglück. Eine Despina mit den Zügen einer Ortrud.

Siegen sie letztlich?

Siegen sie letztlich?

Einen besonders guten Abend hatte auch Mari ERIKSMOEN, deren Firodiligi zu Herzen ging. Wenn ihre Stimme bei den (Un-)Tiefen vorallem der zweiten Arie an die Grenzen kommt (aber welche Fiordiligi lotet bei dieser Arie nicht ihre Grenzen aus), so gelangen sie doch, und Eriksmoen begeisterte mit ihrer schön timbrierten, vibratofreien, wohlklingenden Stimme mit makellosen, sicheren Höhen. Zu Recht wurden ihre Arien besonders akklamiert.

Als Dorabella stand Katija DRAGOJEVIC musikalisch etwas im Schatten ihrer Bühnenschwester, die einfach die schöneren Arien hat. Dragojevic sang zwar tadellos, aber blieb im Eindruck doch hinter Eriksmoen und Kulman zurück. Am schönsten kam ihre Stimme bei den Duetten mit Eriksmoen heraus, die Stimmen der beiden harmonieren in besonderer Weise, und hier begleitete Harnoncourt besonders zart.

Bei den Herren waren Mauro PETER als Ferrando und André SCHUEN als Guglielmo/Guillelmo eine große Freude: Mauro Peter hat einen virilen Tenor mit wunderbar sicheren, unangestrengten, wohlklingenden Höhen. Dazu eine sichere Technik – sein „Un aura amorosa“ war ein Höhepunkt des Abends. Ich hoffe, ihn noch oft in Wien hören zu können.

André Schuen war der dunkle Bariton, den Harnoncourt für den Guglielmo möchte, und seine noble Stimme passte wirklich ausgezeichnet für die Rolle, auch er sang absolut höhensicher und mit einer guten Technik, die hoffentlich eine lange Karriere ermöglicht.

Schwer fällt mir eine Beurteilung des Don Alfonso von Markus WERBA: wie bekannt, hat Harnoncourt sehr eigenwillige Vorstellungen, wie die Rezitative „richtig darzubringen“ seien: dies klang schon bei den anderen Sängern zumindest eigenartig, Werba aber sprach seine umfangreichen Rezitative nicht, er deklamierte sie, und dies auch teilweise bei den Accompagnati-Rezitativen, und jedenfalls auch dann, wenn die anderen Interpreten ihre Rezitative wieder sangen. Für meine Ohren klang es, als sei Werba schlicht die Stimme weggeblieben, und als markiere er. Bei allem Respekt vor Harnoncourts gewaltigem Wissen: diese Art der Rezitativinterpretation kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Insgesamt wirkte Werba unsicher: er sang ausschließlich mit dem Klavierauszug, während die anderen Sänger immer wieder auch frei sangen – vielleicht war es schlicht nicht sein Abend, und wahrscheinlich ist der Don Alfonso keine ideale Rolle für ihn, der noch dazu jünger wirkt, als die anderen gleichfalls jungen Sänger.

Vom Concentus Musicus hervorzuheben sind Stefan Gottfried am Cembalo und Dorothea Schönwiese am Cello, die beiden begleiteten die Seccorezitative ganz ausgezeichnet. Ebenfalls nicht übergehen möchte ich die Hörner, die ihr Können bei Fiordiligis so heikler zweiten Arie „Per pietà“ zeigten (Hector McDonald, Georg Sonnleitner). Tadellos wieder der Arnold Schoenberg Chor, unter der bestens bewährten Leitung von Erwin Ortner.

Großer, 10minütiger Schlussapplaus für Ensemble, Concentus und natürlich Nikolaus Harnoncourt.

Susanne Kosesnik-Wehrle

 

 

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