
Kristina Lewis als Sklavin der Ägypter
Wiener Staatsoper
“AIDA”
12.Oktober 2013
104. Aufführung in dieser Inszenierung
Keine Frage, diese Aufführungsserie der Aida hätte durchaus das Zeug gehabt, die zwei Tage zuvor veranstaltete und durch eine etwas simple und irreführende Planung und deren magerer Ankündigung auffallende sogenannte Verdi-Gala auszustechen. Natürlich hatte Dominique Meyer recht, als er seine Abneigung gegen Jahrestagsaufführungen begründete. Es wäre doch gerade im Fall Verdi dessen ständige und ganzjährige Anwesenheit auf den Besetzungszetteln der Staatsoper nur schwer zu toppen, noch dazu, wo bei einer Häufung von solchen Themenaufführungen naturgemäß die entsprechenden Sänger zur Mangelware werden. So aber hatte die Ankündigung einer Verdi-Gala vor allen bei jenen, die Leseschwäche zeigten zu einer Enttäuschung wegen deren inhaltlicher Einfachheit geführt, ja man kann sagen auch wegen deren, dem Anlaß einer Jubelveranstaltung entsprechenden geradezu unangemessenen Dürftigkeit. Aber auch zu Enttäuschung bei denjenigen, die vom Glanz früherer und ähnlicher Veranstaltungen träumten und bei denen sich daraus die heimliche Hoffnung genährt hatte, dass außer unserem Orchester und dem Chor vielleicht doch auch des Verdigesanges mächtige Solisten ganz überraschend an etwas teilnehmen, was man derart groß als Gala ankündigte.
Zurück zur dieser Aida-Serie, die wegen ihrer zeitlichen Nähe zum Geburtstag Verdis unter den genannten Umständen zum eigentlichen Festakt aufgestiegen ist. Sie hatte immerhin eine Reihe gediegener Verdi-Sänger anzubieten, gefehlt hat lediglich ein Dirigent, dem das erforderliche Gefühl für den “banalen” Rhythmus bei Verdi fehlte, einem stringent durchtaktierten musikalischen Ablauf. Es muß ja nicht gleich ein Muti oder, um ein früheres Beispiel zu nennen, ein Toscanini am Pult stehen. Aber so stand sich Dan Ettinger selbst im Weg mit seinen ständigen Tempowechseln, abruptem Vorangehen und Stillständen. Da wurden in den Ensembleszenen hörbar die Solisten unsicher, aber auch bei den Chorszenen im sogenannten Triumphakt gab es Wackler, seiner Wiedergabe fehlte gerade für die Monumentalität dieses Werkes der eherne Guß, am ehesten konnte in den intimeren Szenen der Dirigent mit seiner Begleitung der Solisten punkten.

Olga Borodina als Amneris
Im Frühjahr schon debütierte Kritin Lewis, die dunkelhäutige Sängerin aus Arkansas bei uns als Aida und was sie damals bereits in Ansätzen zeigte, ist inzwischen weiter gereift: ein warm timbrierter und farbiger jugendlich-dramatischer Sopran, der mühelos im Forte wie auch im Mezzavoce die Höhen dieser Rolle meistern kann. Dass sie figürlich noch dazu ideal passt, vom stolzen Auftreten der Königstochter bis zur totalen Unterwürfigkeit unter den Drohungen ihres Vaters, das ergänzt das positive Bild. Mit ihrer Gegenspielerin Amneris hingegen, ergänzte ein Vollblutweib an Selbstsicherheit und anerzogener Hoheit und dazu einem orgelnden Alt mit enormer Höhe und brustiger Tiefe den weiblichen Anteil in den Hauptrollen: Olga Borodina, die St.Petersburgerin, auch im Frühjahr bereits bei uns debütierend in dieser Rolle, diesmal bestens bei Stimme, wenn auch ein, für diese Stimmen nicht untypischer Registerwechsel oft nicht zu überhören war.
Die Männerriege wurde dominiert von Marcello Giordani, einem Radames mit eloquentem Auftreten und einem durchschlagskräftigen Tenor, der seine lyrische Vergangenheit nicht verleugnen kann, ja die sich geradezu ideal mit den dramatischen Anteilen der Partie ergänzt. Ein äthiopisches Rauhbein gibt Markus Marquart und ist damit richtig als Amonasro, im Krieg gibts keine Tändelei. Ein stimmlicher Luxus ist wohl Dimitrios Flemotomos, sicher in weiterer Karriere auch einmal ein ägyptischer Feldherr, diesmal darf er noch die wohl von der Priesterkaste gelinkte Botschaft vom Einfall der Äthiopier überbringen. Set George Bush wissen wir ja, wie das auch heute noch geht! Und Sorin Coliban glänzt als Ramfis mit enormen Höhen. Sehr diesseitig die Priesterin von Olga Beszmertna und Janusz Monarcha beweist, dass man auch ohne große Stimme im Nilreich an die Macht kommen kann.
Wieder zeigte sich die teils anödende Statik der Regie von Nicolas Joel bei der Auffädelung der Statisten und Choristen, wenigstens bei der Abendregie fallen neue Ideen auf, welche den Solisten individuelle Gestaltungen ermöglichen.
Das Haus war total ausverkauft, auch auf den Galeriestehplätzen herrschte bis zur Pause großes Gedränge, nach der Pause waren nur mehr etwa vierzig Prozent der Steher vorhanden, die Neugierde bei den Touristen schien verflogen und der Hunger dagegen umgekehrt proportional angestiegen.
Peter Skorepa
MERKEROnline
Bilder: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn