Wien -Cineplexx-Kinos: MET IM KINO: ANNA NETREBKO & PIOTR BECZALA ALS IDEALES OPERNPAAR IN „MANON“ – 7.4.2012
Wer das „Wunder“ einer Opernsternstunde in Großaufnahme live erleben wollte, hatte gestern in den Cineplexx-Kinos rund um den Erdball ausführliche Gelegenheit . Anna Netrebko und Piotr Beczala – das neue „Traumpaar“ der internationalen Opernbühne – machten einen Met-Repertoire-Abend zum Ereignis, der ansonsten viel Mittelmaß transportierte. Aber wer die Lebenslust der russischen Diva, die unfreiwillige Ekstase des polnischen Tenors, die Wandlungsfähigkeit heutiger Opernsänger und die geradezu exhibitionistische Offenheit der beiden Interpreten einmal hautnah miterleben wollte – in dieser Live-Übertragung des Hauptwerkes von Jules Massenet mit Hilfe der Aktion „ Met im Kino“ kamen diese TV-Eigenschaften besonders zum Tragen – und vermutlich wurden die Besucher in den Kinos besser bedient als das aktuelle Publikum der MET.
Der Regisseur Laurent Pelly (er ist auch für die Kostüme zuständig) und Bühnenbildner Chantal Thomas verlegen die Story in die Entstehungszeit der Oper. Das Ergebnis – einige große Momente wie das Finale oder die Gavotte von Manon. Und viele ungelöste Fragezeichen: etwa die Kutschenszene des ersten Bildes, der Auftritt des Balletts bei einer „harmlosen“ Straßen-Szene, die Klosterszene mit dem „Bett der Sünde“ mitten im Kirchenraum – all das wirkt unbeholfen und mitunter geradezu krampfhaft um Originalität bemüht.
Und auch Chor und Orchester der Metropolitan Opera unter der soliden Leitung durch Fabio Luisi wären bei einer österreichischen Notengebung bestenfalls mit den Noten 2 – 3 zu bewerten. Ähnlich auch die Nebenrollen wie Paolo Szot als Lescaut und David Pittsinger als Vater Des Grieux: nett, aber auch nicht mehr; ebenso die drei Freundinnen: Jennifer Black, Ginger Costa-Jackson und Anne-Carolyn Bird, recht komisch hingegen Christophe Montagne als Guillot – sie alle waren nur als „ordentlich“ zu qualifizieren.
Und doch – am Ende hatte wohl viele Besucher Tränen in den Augen. Anna Netrebko nähert sich auch optisch wieder ihrer Zeit vor der Geburt ihres Sohnes; die Stimme ist zwar reifer und dunkler geworden und für Liebestrank oder Pasquale wohl schon zu hochkarätig. Aber die Massenet-Manon liegt ihr wirklich ohne jede Einschränkung. Hier kann sie alle Register ihres Singens ziehen. Schlicht und naiv in der ersten Arie, elegisch-schwärmerisch in ihrem Abschied vom „kleinen Tisch“, raffiniert und höhensicher in der Gavotte, werbend-dramatisch in der Verführungsszene im Kloster. Erschüttern im großen Finale – Anna Netrebko hat einmal mehr bewiesen, dass sie auch als Musikerin, als Stimme ohne ihr model-haftes Aussehen ernst zu nehmen wäre.
Und Piotr Beczala gewinnt an ihrer Seite psychologisches Profil. In der „Traumerzählung“ ist er noch zu „gesund“, zu wenig „dünnhäutig“; aber dann steigert er sich immer mehr. Er kämpft in einer grandios gesungenen großen Arie (erfolglos) gegen seine Gefühle, er siegt im Duett und kämpf weiter, er wirbt und bleibt als Unterlegener „Reibebaum“ für Manon und ihren Traum vom kurzen Frühling des Lebens ein idealer Partner.
Zum Glück dauert dieser „Frühling des Leben“ bei Anna Netrebko – und nun auch bei Piotr Beczala – doch schon eine Weile an. Immerhin sind es
zehn Jahre seit ihrer Entdeckung als Donna Anna in Salzburg. Und noch immer sorgt sie für Opernglück der Extraklasse.
Peter Dusek