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Wiener Staatsoper: Ludwig van Beethoven FIDELIO

22.04.2018 | KRITIKEN, Oper

Die Schlussszene mit dem Aha-Effekt der Zugbrücke     Foto: Wiener Staatsoper

Wiener Staatsoper

Ludwig van Beethoven FIDELIO

239. Aufführung nach einer Regie von Otto Schenk
Samstag   21. April 2018      Von Peter Skorepa

 

Seit Jahrzehnten ziert bereits der Programmzettel die Autorenschaft an der Inszenierung mit der Bezeichnung „nach einer Regie von“. Im konkreten Fall ist dies der Regisseur gleich zweier Gefängnisdramen an der Wiener Staatsoper, und zwar der „Fledermaus“ und des gegenständlichen „Fidelio“, nämlich Otto Schenk. Die wohl allmähliche Verharmlosung des Gefängnisbetriebes, die sich unter den Händen von Abendspielleitern abspielt, wollte er damit wohl begegnen.

Keine Frage, Angst muss man keine in diesen Gefängnissen haben, in dem einen sowieso nicht, weil dieses unter der Verwaltung der Operettenabteilung des Hauses steht, und in gegenständlichem Kerker des 239. Abend in der Staatsoper nicht, weil hier Stefan Cerny, ein von der Volksoper übernommener Verwaltungsbeamter namens Rocco die Aufsicht übernommen hat. Wunderbar, wie er seine dienstliche Schläue und Unterwürfigkeit beim Herrn Gouverneur einbringt und ihm Lockerungen im Dienstbetrieb richtiggehend unterjubelt, ja das mit dem Namensfest des Königs, das er mit seinem Bass groß verkündet. Da ist der aus allen Poren schwitzende und händeringende Don Pizarro plötzlich machtlos, ja genau, dieser Thomas Konieczny, der trotz des Einsatzes seines wotangestählten und in römischen Polizeidienst als Scarpia erfahrenen Bassbaritons letztlich klein beigeben muss. An dieser Szene darf die Modernität des Stoffes und der wenigen gewechselten Worte in diesem Stück gemessen werden, wir wissen nichts um Hintergründe und Taten Pizarros und Florestans, sehen aber, welche Ängste diese bei dem genannten Gouverneur auslösen und welche mutige Aktionen bei ansonsten mutlosen Untertanen wie diesem Aufseher Rocco möglich werden.

Was bedeuten die rätselhaften Worte in Pizarros großer Auftrittsarie: „Nun ist es mir geworden, den Mörder selbst zu morden“? Worin ist da Florestan vor seiner Verhaftung verwickelt gewesen, gar in Morde, wie sich aus diesen, den Anschuldigungen seines politischen Gegners schließen ließe? „Meine Pflicht hab´ ich getan“ so Florestan beteuernd, in einem bis ins Heute bekanntem Zitat. Nein, zimperlich war man in sogenannten Freiheitskämpfen nie, damals wie heute. Florestan besteht jedenfalls auf seine Unschuld, zeigt seine Ängste und klammert sich mit letzter Kraft an seine Hoffnung namens Leonore. Peter Seiffert, trotz fortgeschrittener Karriere mit hörenswertem heldentenoralem Aplomb und noch wenig Verschleiß in seinem schönen Material, hat Wortverständlichkeit zu bieten, wie sie heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr darstellt. Und Ricarda Merbeth stellt sich in unpolitischer Heldenpose aber jugendlich dramatischem Ausbruch dar, in ihrem Sieg über das Unmenschliche.

Peter Seiffert als Florestan Foto: M.Pöhn

Ja der Zahn der Zeit ist allzu glättend über die ja schon von Anfang an zu biedermeierliche Idylle dieser Inszenierung gefahren, man hat sich auf die Wirkung der Schlussszene mit der Zugbrücke zu sehr verlassen, die auch heute noch einen gewissen Aha-Effekt hervorzurufen in Stande ist. Da verbleiben für das gelungen Spielopernhafte noch die reizend-aufmückige Marzelline der Ileana Tonca, der mit dem schönen Spieltenor agierende Jaquino des Jörg Schneider und zu Letzt der aus der königlichen Beamtenuniform gekonnt herauslächelnde Don Fernando des Clemens Unterreiner, der mit sonorem Kavaliersbariton „Gottes Wille als gerecht“ bekundet.

Adam Fischer als musikalischer Leiter des Ganzen geht zärtlich mit den Anteilen des Spielopernhaften, aber umso brillanter und deren Grenzen ausreizend mit den Accelerandi und Crescendi der Partitur Beethovens um.

 

Peter Skorepa
OnlineMERKER

 

 

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