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WIEN/Staatsoper Giuseppe Verdi LA TRAVIATA

Die Regie, eine geschminkte Leiche

27.05.2018 | KRITIKEN, Oper

Der erzürnte Vater PLACIDO DOMINGO und die Bedrohung für die Familienehre: IRINA LUNGU (Fotocredit: M.Pöhn-Wiener Staatsoper)


Wiener Staatsoper

Giuseppe Verdi   LA TRAVIATA
54. Aufführung nach einer Regie von Jean-Francois Sivadier
Samstag 26. Mai 2018  
Von P.Skorepa – OnlineMERKER

 

Die Regie, eine geschminkte Leiche

Keine Frage, es war wenigstens ein Versuch, die von allem Anfang verkorkste Inszenierung des Franzosen Jean-Francois Sivadier für den angekündigten Stream zum wiederholten Male aufzufrischen. Waren die bisherigen Versuche schon kaum erfolgreich, die vom Publikum abgelehnten ekeligen Alkohol- und Drogenprobleme der Titelheldin aus dieser Regie zum Verschwinden zu bringen, so waren es diesmal der Einbau von neuen Zwischenvorhängen, unzähligen neuen Beleuchtungseffekten und Goldlametta von der Decke sowie neuer Tableaus für die Verdischen Ensembles von gleicher Wirkungslosigkeit. Von der ursprünglichen Absicht, Beziehungsgeflechte – die bei einer Opernprobe zur Traviata auftreten – mit vermeintlich modernen Mitteln darzustellen, blieb jetzt nur die mit Schaubudeneffekten übertünchte Fassung einer sonst leeren Bühne übrig, auf der die Protagonisten wie hilflos umherirren, meist auf der Suche nach Sesseln. Ein Tiefpunkt inszenatorischer Ideenlosigkeit an diesem Hause.

Da sah es wenigstens auf der musikalischen Seite besser aus, denn mit Marco Armiliato, der die Phiharmoniker und den Chor unter Thomas Lang frei, ohne Notenhilfe dirigierte und für ausgewogene Dynamik sorgte, also den Sängern ausreichend Gehör verschaffte und trotzdem keinen Verzicht auf Biss und Dramatik der Partitur oder die Melodienseligkeit der unzähligen Ohrwürmer leisten musste. Schade, dass die Philharmoniker nicht mehr die Ballettszene besingen mit einem „Jessasna“, wie es einst Brauch war.

Nach längerer Abwesenheit trat die Russin Irina Lunghu wieder als Traviata in Wien auf, in einer Rolle, welche für sie nach fast 150 Vorstellungen in der ganzen Welt bereits zu ihrem “Alter Ego“ heranwuchs, wie sie in einem Interview Anton Cupak im OnlineMERKER vor ihrem Auftritt bekannte. Auch wenn sie meinte, der letzte Akt wäre für eine Sängerin am schwierigsten, so kam sie mit der Todesszene letztlich am besten zu Recht, zu unausgeglichen und unruhig war der erste Akt noch gesungen, mit den nicht ganz sauber ausmusizierten Koloraturen. Und manchmal noch zu scharf und forciert die dramatischen Teile des zweiten Aktes der allerdings sehr intensiv gesungenen Szenen mit dem alten Germont.

Und damit ist er schon im Geschehen, dieser alte Germont, mit kurzem Auftrittsapplaus empfangen, sichtlich etwas nervös wirkend aber in Darstellung und Gesang ganz auf sein Universum Placido Domingo und dessen Charisma bauend. Viele von denen, die ihn so wie ich und wohl noch viele andere im Publikum, in seinen Anfängen und späteren Glanzzeiten und auch danach noch folgenden Hochglanzzeiten als Tenor erlebt haben, werden noch immer dankbar sein für jedes, große Erinnerungen heraufbeschwörende Aufleuchten dieser Stimme in so mancher Phrase, auch wenn es in baritonaler, aber trotzdem noch immer intensiven Form erfolgt. Aber es ist auch verständlich, dass heutige Zuhörer sich am aktuellen Stand der stark reduzierten Mittel – die letztlich, bedenkt man das Alter des Sängers, noch immer beachtlich sind – bei ihrer Beurteilung orientieren. Ungebrochen nach wie vor ist jene ihm eigene Intensität der Botschaft in seiner gesanglichen Gestaltung, die diesmal von unerbittlicher Strenge auch gegen seinen Sohn getragen war, leider ohne der Cavatine nach seiner großen Arie.

Er erwachte erst, als er seinen Vorschlag „Parigi, o cara, noi lasceremo“ an Violetta richtete. Und er bot für nur kurze Zeit jene stimmliche Leistung, die man von Pavol Breslik als Alfred Germont erwartet hatte. Da konnte man feststellen, dass er auch singen hätte können und bis dahin nicht nur unschön pressen und drücken und dafür gab es auch kaum Applaus.

Margaret Plummer war die Rollendebutantin des Abends als Flora, natürlich mit neuem Kleid von wegen neuer Ausstattung, Bongiwe Nakani als Annina wurde der Ohnmachtsanfall am Ende durch die Regieänderung erspart, aus dem restlichen Personal stachen noch hervor Carlos Osuna als stimmlich präsenter Gaston und Dan Paul Dumitrescu als Doktor Grenvil, der sich rührig um die Patientin ohne E-Card kümmerte.

Der intensivere Teil des Schlussapplauses dauerte 11 Minuten, ein Häuflein Unentwegter konnte in der 13. Minute den Kern der Truppe noch einmal auf die Bühne locken, allerdings nur mehr über den Seitensteg vor dem Eisernen. Blumenwürfe für die Hauptdarsteller und dem Dirigenten aus dem Publikum.

Peter Skorepa – OnlineMERKER

 

Anmerkung der Redaktion: Die Blumenwürfe waren nicht „hausseits organisiert“. Frau Gabi E. weiß, wer die Blumen organisiert hat: Ich beziehe mich auf die heute veröffentlichte Kritik zur La Traviata, in der der Rezensent über die „hauseigen organisierten Blumenwürfe“ schreibt. Wir haben seit Jahrzehnten die Tradition, für die Sänger kleine, rot-weiß-rote Blumensträußchen zu werfen. In allen Openhäusern der Welt, die wir besuchen, gehen wir dieser Tradition nach und hinterlassen damit einen kleinen Gruß aus Österreich für die beteiligten Sänger (nur die Hauptdarsteller). Mein Mann tat dies auch bei der besagten Traviata, und zwar, ohne dass das Haus „irgendetwas organisieren“ musste

 

 

 

 

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