Foto: Apollonia T- Bitzan
WIENER FESTWOCHEN / Volkstheater:
WEISSE WITWE von Kurdwin Ayub
Eine Produktion der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (Berlin)
Weltpremiere 14. Februar 2025
Premiere bei den Wiener Festwochen: 6. Juni 2025
Nichts als Reizüberflutung
Und was war nun das? Die wüsten zwei Theaterstunden nennen sich „Weiße Witwe“ und wurden von den Wiener Festwochen aus der Berliner Volksbühne ins Wiener Volkstheater geholt. Die Vorpropaganda funktionierte überbordend, hat die Autorin / Regisseurin des Stücks doch schon viel Publicity auf vielen Ebenen geerntet. Kurdwin Ayub, geboren im Irak, aufgewachsen in Wien, zuerst Performerin, dann Filmregisseurin, ist nun als Theatermacherin unterwegs, um das Publikum zu provozieren, worauf es ihr nach eigener Aussage durchaus ankommt.
Es mag allerdings auch passieren, dass sie vor allem an den Nerven zerrt, Denn die „Weiße Witwe“, die eine Welt des konventionellen Orientalismus auf die Bühne bringt (Ausstattung: Nina von Mechow) ist eine vor allem penetrant laute Show, in der oft unverständlich herumgebrüllt und -gekreischt wird, wo laute Pop-Musik den Abend aufbläht und eine durchaus begabte Tanzgruppe (Tanzchor motion*s Tanz- und Bewegungsstudio) immer wieder in Bewegung ist. Dazu flattern die Videowände, Reizüberflutung ist angesagt.
Es fällt nicht leicht, zur Handlung durchzusteigen, vielleicht sollte man vorher nachgelesen haben, dass man sich im Jahr 2666 und im „Islamischen Staat Europa“ befindet – denn um besondere Deutlichkeit des Geborenen bemüht sich Kurdwin Ayub weder als Autorin noch als Regisseurin, das Stilprinzip Tohuwabohu beherrscht den ganzen Abend.
Immerhin bemerkt man bald, dass die zentrale Dame des Stücks, eine Königin in Gestalt der Rapperin mit dem spektakulären Künstlernamen addeN, keine gute Zeitgenossin ist. Junge Männer laufen kreischend vor ihr weg, Kunststück, sie werden ja im Bienenkönigin-Stil nach der Sexnacht verzehrt, wobei die Dame sie offenbar mit der Riesenspinne teilt, die immer wieder vom Schnürboden herab gelassen wird. Eine wirkliche Funktion hat sie nicht, sie kam ja auch, wie man im Interview mit der Regisseurin erfährt, durch Zufall ins Geschehen – es gab sie in einem anderen Stück, Kurdwin Ayub hat sie gefallen, also wurde sie einbezogen. Diese Beiläufigkeit merkt man auch bei allen anderen Details des Stücks – es könnte auch alles anders sein.
Foto: © Bahar Kaygususz
addeN, mit der Präsenz einer Domina, die als Trans durchgehen könnte, geborene Iranerin, in Deutschland offenbar fest verankert, hat sich einen Akzent zugelegt, wie man ihn von türkischen Landsleuten kennt, wenn sie Deutsch sprechen, und besonders verständlich ist das nicht. So fühlt man sich geradezu erleichtert, als Georg Friedrich auftritt, nicht nur des Wiener Zungenschlags wegen, den er mitbringt, sondern weil man ihn versteht. (Was auch bei Benny Claessens, quakender Eunuch des Stücks, nur bedingt der Fall ist,)
Sicherlich ist es eine Pointe der Autorin, aus Scheherazade einen alten weißen Mann zu machen (der sich bitterlich beschwert, wie schwer es seinesgleichen heutzutage hat), der das Schicksal der „weißen Witwe“ erzählt, die es in unserer Zeit in Gestalt einer gesuchten Terroristin tatsächlich gibt. Im allgemeinen Chaos (was Genaues weiß man nie) kommt die Königin zu Tode und ihr Kopf wird auf eine Lanze aufgespießt.
Womit dann ihre Tochter (Samirah Breuer mit tadellos verständlichem Deutsch) das Ruder übernimmt – und nun das Lehrstück folgt, auf das es der Autorin vielleicht ankam. Denn in Diskussion mit Friedrich und Claessens geht es in ironischem Schlagabtausch darum, wie schwer es die Migranten in der „weißen Welt“ haben, wo man von ihnen immer verlangt, möglichst unauffällig zu agieren und den Anschein zu erwecken, ungefährlich und brav zu sein…
Darauf hat Kurdwin Ayub nun offenbar gar keine Lust, und das hat sich auch als Erfolgsrezept erwiesen. Ein überzeugendes Theaterstück ist die „Weiße Witwe“ dennoch nicht geworden, die eigentlich nur als wilder Lärmmacher im Gedächtnis bleibt und nicht als aussagekräftige oder auch nur eindrucksvolle Geschichte.
Renate Wagner