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WIENER FESTWOCHEN / Volkstheater: BLUTSTÜCK

Und was willst Du uns eigentlich sagen?

18.05.2024 | KRITIKEN, Theater

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Foto © Diana Pfaffmatter

WIENER FESTWOCHEN / Volkstheater:
BLUTSTÜCK
Nach dem Roman „Blutbuch“ von Kim de l´Horizon
Eine Produktion des Schauspielhauses Zürich
Wiener Premiere: 18: Mai 2024 

Und was willst Du uns eigentlich sagen?

Früher wäre man überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass das ein Thema sein könnte. Die Frage, woher der menschliche Körper kommt – ob von den Großmüttern oder aus einer „Urspuppe“. Und Körperkommunikation hätte für „Mann“ und „Frau“ einfach in Sex bestanden. Früher. In anderen, unschuldigeren Zeiten.

Heute stellt eine „Person“ die Frage nach dem Blut im weitesten Sinn. Der / die / das aus der Schweiz unter dem Pseudonym Kim de l’Horizon  (32) Schreibende  wird von Wikipedia als „ eine genderfluide nichtbinäre schweizerische Person“ charakterisiert, der / die / das 2022  in seiner / ihrer / seiner Heimat mit dem Roman „Blutbuch“ viel Aufsehen erregt hat.

Mittlerweile haben schon mehrere Städte eine dramatisierte Version unter dem Titel „Blutstück“ auf die Bühne gebracht. Die Version des Schauspielhauses Zürich kam nun als erste Premiere der Wiener Festwochen, pardon, der Freien Republik Wien, ins Volkstheater. Hundert Minuten einer  Gegenwart, wie sie noch nicht von jedermann verinnerlicht wurden. Als „Unterstützer“ des Projekts wird der Think Tank für Transformation, Diversität und Inklusion genannt. Das gibt die Richtung an.

Der Kritiker (auch wenn sie eine Kritikerin ist, sei es gestattet, den Grundbegriff geschlechterneutral  zu betrachten und zu verwenden) gibt am besten gleich zu, das Buch nicht gelesen zu haben, das vom Feuilleton in den Himmel gehoben und preisgekrönt wurde. Man (Frau) hier in Wien ist also auf das angewiesen, was man auf der Bühne sieht. Mit Kim de l’Horizon persönlich übrigens, den / die / das man rein optisch eher bei den Männern verorten würde, aber was weiß man schon…

Kim leitet den Abend ein, und von Anfang an ist klar – ohne Voraussetzungen ist kaum mitzubekommen, worum es eigentlich gehen soll und was der / die / das Autor letztlich sagen will. Er (bleiben wir bei dem männlichen Ich) kündigt ein „Musical“ an, was es nicht wird, obwohl die Darsteller auch mal singen und Lukas Vögler wirklich begabt auf seiner Gitarre klampft. Nach Kim, der sich dann fast bescheiden im Hintergrund hält, dürfen sich seine vier Mitspieler in Improvisationen mit dem Publikum ergehen. Das ist immer wieder ganz amüsant, aber inhaltlich nicht wirklich zielführend.

Am stärksten wirkt der Abend in jenen Momenten, als Kim in den Zuschauerraum steigt und von seiner Angst vor Gewalt spricht, die körperliche Gewalt, die er gegen seine Person fürchtet. Und er fragt in das Publikum hinein, wer von den Hunderten Menschen, die da sitzen, in diesem Fall schweigend zusehen würden – und wie viele seine Partei ergreifen, ihn retten wollend… Beklemmende Momente, man weiß, worum es geht.

Der Rest des Körper-Geredes kommt auf der Bühne selten auf den Punkt, wenn Kim in Gro Swantje Kohlhof, Sasha Melroch (die souverän in drei Sprachen parliert), Vincent Bass und dem schon erwähnten, als Komiker begabten Lukas Vögler auch exzellente Mitspieler hat. Man würde wünschen, dass es an diesem von Leonie Böhm inszenierten Abend weniger verschmiertes Geblödel und mehr ernsthaften Text gäbe. Dringt dieser durch, dann ahnt man, worum es Kim geht – dass wir, die wir alle Körper sind, uns brüderlicher, schwesterlicher einander zuneigen möchten. Was ja nicht eben der Fall ist. Zumal heute, in dieser verrückten Gewaltwelt, die uns alle in den Krallen hat…

Wir mögen das Gebotene verstehen oder nicht. Jeder kann von dem eindreiviertelstündigen Abend mitnehmen, was ihn persönlich erreicht hat. Das kann mehr sein oder auch weniger. Der Beifall war jedenfalls – demonstrativ.

Renate Wagner

 

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