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WIENER FESTWOCHEN / MuseumsQuartier: KITTY

Fleischmenschen und Apfelkuchen

26.05.2025 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: c Toshiaki-Nakatani

WIENER FESTWOCHEN / MuseumsQuartier / Halle G: 
KITTY von Satoko Ichihara
In Zusammenarbeit mit Kinosaki International Arts Center (Toyooka)
Weltpremiere Februar 2025, ROHM Theatre Kyoto
Wiener Premiere: 25. Mai 2025 

Fleischmenschen und Apfelkuchen

Die japanische Comic-Figur „Hello Kitty“ hat ihren Weg noch nicht bis zu uns gemacht, ist aber in ihrer Heimat ungemein beliebt. Das Kätzchen steht für herzige Mädchen, und daran lassen sich nicht nur feministische Überlegungen knüpfen, wie die japanische Theatermacherin Satoko Ichihara in ihrem Stück „Kitty“ zeigt, das von Kyoto nun zu den Wiener Festwochen gekommen ist.

Kitty ist an diesem Abend die einzige, die ein menschliches Gesicht hat (und durch den Abend hüpft und tanzt): Die anderen sind teils erschreckende Katzen, erinnern auch an die Figuren des machtvollen klassischen Theaters, sind jedenfalls dermaßen in wilden Kostümen verhüllt, dass man keine Menschen darunter erkennt. Deshalb ist man auch erstaunt, wenn man am Ende sieht, dass dieses ganze logistische Meisterwerk von vier jungen Frauen ausgeführt wird, die hier Unglaubliches an Verwandlung und Verkleidung zeigen.

Satoko Ichihara hat in das Schicksal ihrer Kitty mehr hinein gestopft, als gut tut, wobei man natürlich konzedieren muss, dass die meisten von uns einfach zu wenig von Japans Alltagskultur wissen. Für Japaner gibt es Bezüge, die sie einfach wissen – und wir nicht.

Jedenfalls erlebt man Kitty anfangs in ihrer Familie, ein terroristischer Vater, eine unterdrückte Mutter, bis – wenn man die Geschichte aus den Übertiteln richtig versteht – die beiden dem Papa eine Nutte kaufen, die ihn dann umbringt. Zu Kittys weiteren Stationen zählt die Welt der Pornofilme, ein Nachtlokal, die Geschichte der Mutter, die so erfolgreich Apfelkuchen bäckt, dass sie damit eine Fabrik eröffnen kann, jede Menge Zoff mit den Sozialen Medien – und am Ende übersiedeln die Menschen auf die Venus.

Da sie Fleisch-Menschen sind und keine Tiere mitgenommen haben, werden sie früher oder später einander auffressen, ist ein zynischer Schwenk des Stücks, in dem sehr viel über die fleischfressende Menschheit und anderes mehr philosophiert wird. Allerdings nicht ernsthaft, sondern in der banalen Sprache und Gedankenwelt entweder eines Katzen/Spatzenhirns oder der Sozialen Medien. Keine Frage, dass die Autorin / Regisseurin hier in bunter Revueform ein Panorama zeitgenössischer Fragen aufwirft und fein zwar stilisiertes, aber doch recht glaubwürdiges Bild von heute entwirft.

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Das Programm verzeichnet vier junge Frauen, Sung Soo-yeon,  Yurie Nagayama, Birdy Wong Ching Yan, und Yuka Hanamoto – keine  Chance, auch nur zu erahnen, who is who, ebensowenig, wann sie Japanisch, Koreanisch oder  Kantonesisch sprechen. Sie sind asiatische Frauen in einer uns fremden und entsprechend faszinierenden (Theater)Welt.

Schade, dass der Abend, der eigentlich nur knapp zwei Stunden dauert, immer wieder zu lang wirkt und vor allem zu keinem Ende kommen will, als man längst schon meint, genug gesehen und erfahren zu haben. Dennoch eine bemerkenswerte Begegnung.

Renate Wagner

 

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