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WIENER FESTWOCHEN / Burgtheater: JA NICHTS IST OK

Ein Requiem für sich selbst

12.06.2024 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Wiener Festwochen 

WIENER FESTWOCHEN / Gastspiel im Burgtheater:
JA NICHTS IST OK von René Pollesch / Fabian Hinrichs
Eine Produktion der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin
Uraufführung 11. Februar 2024
Premiere bei den Wiener Festwochen: 12. Juni 2024 

Ein Requiem für sich selbst

Am 11. Februar 2024 fand in der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz die Uraufführung von „ja nichts ist ok“ statt. Zwei Wochen später, am 26. Februar 2024, starb der Autor des Stücks, René Pollesch erst 61jährig. Nicht nur die Volksbühne, die er seit 2021 leitete, verlor eine bedeutende Persönlichkeit. Sicher nicht jedermanns Geschmack, hatte er doch das deutsche Theaterleben mit einer wahren Flut von Stücken und Inszenierungen überzogen, für die ihm eine Riege großer Schauspieler zur Seite stand. Nicht zuletzt Fabian Hinrichs (dessen Gesicht einem breiten Publikum als „Tatort“-Kommissar vertraut ist), der seit 2010 immer wieder mit Pollesch zusammen gearbeitet hat. Das letzte Stück des Autors stemmt der Schauspieler in einem 80minütigen Alleingang, mit dem er nun auch bei den Wiener Festwochen hoch verdiente Standing Ovations erntete.

Sieht man „ja nichts ist ok“ hier in Wien, so hat das Stück im Bewusstsein des tragischen Todes von René Pollesch (wie immer auch sein eigener Regisseur)  einen besonderen Beigeschmack, es wirkt in einer Weise traurig und auf Abschied ausgerichtet, dass die grotesk-brillanten Elemente, die wie immer bei Pollesch nicht fehlen, in den Hintergrund treten. Was wie eine Überlegung über die Schwierigkeit menschlichen Zusammenlebens  beginnt, mündet in eine zutiefst tragische, nihilistische Betrachtung von Leben und Nichtleben, von Ablehnung der Existenz, dass man glauben könnte, der Autor habe ein Requiem für sich selbst geschrieben… er hat es nur noch nicht gewusst…

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Zu Beginn steht Fabian Hinrichs (der als Mitautor des Werks figuriert) in T-Shirt und Boxershorts  an einem Swimming Pool (nicht vergessen, die Volksbühne ist ideologisch immer noch Castorf-Land, und bei ihm geht es ohne Wasser nie ab). Er brabbelt Unverständliches, das Publikum muss auf seinen Sturz ins Naß nicht warten, es wird zu einer exhibitionistischen Orgie, was der Darsteller leistet.

Was er hier an Aktionen offenbar verschiedener Menschen vollbringt, wird nach und nach klar – er erzählt von den problematischen Mitgliedern einer WG und übernimmt alle Rollen, im Dialog hin- und herwetzend. Klassische Schauspieler-Komödiantik bei durchaus tragischem Inhalt. Denn das „Ich“, das Hinrichs schließlich zentral verkörpert, ist offensichtlich mit dem Zusammenleben mit den anderen (eine Frau, zwei Männer, viele Probleme) überfordert, und sei es nur durch Kleinlichkeiten des Alltags.

All das spielt sich in einer Art von offenem Bungalow ab (Bühne Anna Viebrock), der aber auch wie ein verfallener Tempel wirken kann und durch Steinmassive an der Seite gleichzeitig etwas Archaisches wie auch Irreales gewinnt. Was sich da abspielt, ist letztlich von der Realität abgehoben, auch wenn im Hintergrund die Kriege (die ja derzeit Realität sind) stark präsent sind.  

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Und dann – plötzlich wird der Zuschauerraum erleuchtet – wendet Hinrichs sich direkt an das Publikum und lässt eine Philippika des Nihilismus los, die geradezu erschreckt. Alle Fragen eines  Menschen, der des Lebens müde ist, werden gestellt, und die Antworten sind ernüchternd. Vor uns steht der desillusionierte Mensch per se. Von der Komödie ins Herz der Finsternis.

Und doch – am Ende dann noch eine seltsame Wendung. Der Auftritt einer Menschenschar. Sie hüllen den Protagonisten geradezu ein. Dieser erzählt (er hat es schon zwischendurch immer wieder getan) auch jetzt noch Witze. Was macht eine Kerze am Abend? Sie geht aus…

Mit dieser trüben Erkenntnis wird man entlassen, aber bevor man betroffen davon ging, galt es noch Fabian Hinrichs für eine außergewöhnliche Leistung zu feiern, die mehr war als nur ein Virtuosen-Stück. Einen würdigeren Abschied hätte der Protagonist seinem Dichter nicht bescheren können.

Renate Wagner

 

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