WIEN / Wien Museum im Musa:
GROSSSTADT IM KLEINFORMAT
DIE WIENER ANSICHTSKARTE
Vom 4. Mai 2023 bis zum 24. September 2023
Schreib mir eine Ansichtskarte!
Sicher, Menschen von heute posten sich selbst in „Ansichtskartenmotiven“ auf Instagram, aber ganz ist die bunte Ansichtskarte als Beweis für „Ich war hier!“ noch nicht aus der Mode gekommen – sonst wären nicht vor jeden Souvenirgeschäft Drehgestelle mit zahllosen Karten und Motiven zu finden. Diese Ansichtskarte hat eine „bunte“, lebhafte Geschichte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, und das Wien Museum, noch immer im Umbau und folglich in der Dependance im Musa (vis a vis vom Rathaus), zeichnet diese mit gut 700 kleinteiligen und vielfältigen Objekten nach. Es gibt dabei unendlich viel zum Schauen…
Von Renate Wagner
Als „Correspondenz-Karte“ begann es Muss man wirklich einen Brief schreiben und diesen in ein Kuvert stecken, wenn man nur eine Kleinigkeit (etwa das Datum einer Verabredung) mitzuteilen hat? „WhatsApp“ gab es in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wohl nicht, aber die „Correspondenz-Karte“ hat man zu diesem Zweck erfunden. Sie war Ausgangspunkt einer Entwicklung zur „Ansichtskarte“, zu der sich zahlreiche Überlegungen anstellen lassen, was Kurator Sándor Békési und seine Kollegen aus vielfältiger Sicht beleuchten.
Was zeigt man von Wien? Die anfängliche Ausschmückung, die die Korrespondenzkarte langsam zur „Ansichtskarte“ machte, war durchaus noch künstlerisch gedacht, mit Ornamenten, Zierleisten, Schrift, Motiven. Und Bildern, noch in Schwarzweiß. Als der Farbdruck aufkam, explodierten die Fotos – und wie wollte man Wien sehen? Stefansdom, Riesenrad, Schönbrunn, Staatsoper sind die immer wiederkehrenden Motive. Der Blick vom Kahlenberg sollte den Eindruck vermitteln, Wien läge tatsächlich an (und nicht neben) der „schönen blauen Donau“. Eine Liste von Ansichtskartenproduzenten um 1900 führt weit mehr als 50 Firmen auf. Im Jahr 2000 waren es gerade noch sechs…
Innovationen auf allen Gebieten Die Schau im Musa ist mit allerlei „Hardware“ geschmückt, ein Briefkasten von anno dazumal, ein Schrank, der eigens zur Aufbewahrung von Ansichtskarten geschaffen war, denn der Mensch sammelt alles, was sich sammeln lässt, die bunten Karten – meist aus aller Welt – nicht ausgenommen. Einen künstlerischen Anlauf hohen Ranges nahm die „Wiener Werkstätte“ /(mit einigen schönen Beispielen vertreten), die Ansichtskarten so gestaltete, dass sie die Brücke vom Gebrauchsgegenstand zum wertvollen Kunststück schlugen. Das große Geschäft, das hier zu machen war, wurde von den Herstellern, die auch Verkäufer mit Mappen auf die Straße schickten, etwa durch „Leporellos“ intensiviert – eine Methode, die man noch heute kennt, um nicht ein Einzelstück, sondern am besten gleich ein Dutzend zu verkaufen.
Die Themenbreite noch und noch ausgeweitet Die Ansichtskarte war ein „demokratisches“ Erzeugnis, erschwinglich faktisch für jedermann. Und sie konnte alles bieten, nicht nur die Schönheiten oder die (bewusst gesetzten) Klischees einer Stadt, sondern etwa auch die Reproduktion von Kunstwerken – die Kunstpostkarte gibt es bis heute, Museen machen große Geschäfte damit. Es gibt die reißerische Postkarte (die etwa den Brand der Rotunde zeigt) oder die politische Postkarte, die für Parteien wirbt. Und letztlich ließ schon damals (wie heute) ein Wirtshaus, ein Hotel seine eigenen Postkarten herstellen. Interessant auch, dass man nach und nach nicht nur die spektakulären Hauptsehenswürdigkeiten auf Karten packte, sondern auch Motive aus der Vorstadt. Und je mehr Wien „zur Weltstadt demoliert“ wurde, wie Karl Kraus den Ringstraßen-Bauboom nannte, umso größer war die Sehnsucht nach einem sterbenden „Alt Wien“, das man gleichfalls in Aquarellen von einst verkaufen konnte.
Freilich, wenn man ganz modern sein wollte und auf einmal nur noch mit Schrift auf Sehenswürdigkeiten hinweisen – da konnte es schon vorkommen, dass man die Lipizzaner falsch schrieb. Diese Karte ist hoffentlich als Beispiel der Schande schneller, gedankenloser, kenntnisloser Produktion ausgestellt…
Die Gegenwart und ihre Nachteile Dass bekannte Fotografen (man sieht Beispiele von Lisl Ponger) aus ihren Fotos Ansichtskarten machen ließen, ist ein anderer Schritt zur künstlerischen Gestaltung, die sich in der Gegenwart bis zu interessanten Collagen moderner Künstler verfolgen lässt, die auch ihr Publikum finden. Allerdings hat die Gegenwart einen Namen, und dieser lautet „Internet“, und was einst die Ansichtskarte war, ist heute „Social Media“ – wer wird sich noch die Mühe nehmen, eine Karte zu kaufen, mit der Hand zu beschreiben, zu frankieren und die nicht mehr häufigen Briefkästen zu suchen? Höchstens für die alte Tante, die kein Internet haben will und die man so gern hat, dass man die vielen Schritte auf sich nimmt, die man mit ein paar Klicks und Wischern auf dem Smartphone vermeiden kann. Leider hat die Digitalisierung auch Nachteile. Direktor Matti Bunzl, der derzeit den Umbau des Haupthauses am Karlsplatz stemmt, ist wohl auch geholt worden, das Haus per Digitalisierung an die neue Zeit anzuschließen. Das bedeutet für ihn auch, keine Kataloge mehr zu erstellen, sondern mit seinen Produktionen im Internet zu bleiben. Nun, seine Vizedirektorin Ursula Storch (die mit Christine Koblitz, Elke Wikidal und Andreas Gruber an der Ausstellung mitgearbeitet hat) könnte ihm erzählen, dass gerade das Wien Museum (schon als es noch das „Historisches Museum der Stadt Wien“ war) für seine Kataloge berühmt war. Noch sind die „analogen“ Menschen nicht ausgestorben, die lieber ein Buch in der Hand halten und dort schauen und blättern, stöbern und lesen, statt von einem Foto zum anderen zu klicken, irgendwo verloren unter den Millionen Websites des Netzes.
Wien Museum MUSA
GROSSSTADT IM KLEINFORMAT
DIE WIENER ANSICHTSKARTE
Vom 4. Mai 2023 bis zum 24. September 2023
1010 Wien, Felderstraße 6–8
Geöffnet Dienstag bis Sonntag und Feiertag, von 10 bis 18 Uhr