
WIEN / Wien Museum:
FLEISCH
Vom 2. Oktober 2025 bis zum 22. Februar 2026
Der lange Weg zum Wiener Schnitzel
Fleisch, in frühen Zeiten ein Nahrungsmittel für Reiche, für viele auch ein Genuß, dann längere Zeit erschwinglich für die meisten, ist heute zum Kampfbegriff geworden. Wenn das Wien Museum dem „Fleisch“ unter diesem schlicht-lapidaren Titel eine bemerkenswerte Großausstellung widmet, wo bekommt man am Ende ein Glossar darüber, wie viele differenzierte Möglichkeiten es gibt, den Fleischkonsum zu verweigern – das geht über „vegetarisch“ und „vegan“ weit hinaus. Doch trotz des jüngsten Kampfes der Klimaschützer, die Fleischverzicht für klima-notwendig halten, ist Fleisch (noch) ein Fixum im Leben sehr viele Österreicher – und war es im Lauf der Menschheitsgeschichte immer. Die „Omnivor“, jene Menschen, die sich fleischlich und pflanzlich keine Restriktionen auferlegen, sind vermutlich immer noch in der Mehrheit.
Von Renate Wagner

Was kann man essen? Heute besteht die Übereinkunft, dass in zivilisierten Gesellschaften Schwein, Rind (bzw. Kalb) gegessen wird, das Lamm ist eng mit der muslimischen Esskultur verbunden, Ziegen ißt man selten, Pferde fast gar nicht mehr, Esel sind hierzulande nicht üblich, im übrigen sind Geflügel und Fisch (plus Meeresfrüchte) „salonfähig“. Wenn man den Chinesen nachsagt, Hunde und Schlagen zu essen, ist es hierzulande mit einer Haltung der Missbilligung verbunden. In Wien (und die Ausstellung des Wien Museums ist sehr stark auf die Stadt konzentriert) gab es in der ärmsten Unterschicht die „Katzenfresser“ (weil man so ein Tier schnell von der Straße wegschnappen konnte) – ein Gemälde von Elena Luksch-Makowsky aus dem Jahr 1900 dokumentiert diese Art von sozialem Elend.
Im Stall und auf der Weide Der lange Weg der Tiere, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, beginnt im Stall oder auf der Weide. Wenn die Ausstellung nun den langen Weg verfolgt, bis ein Wiener Schnitzel oder ein Stück Tafelspitz am Teller der Menschen landet, wird klar, wie viele Bereiche hier zu beachten sind. Um Zucht und Haltung der Tiere geht es hier, und der Tierschutz war dabei immer ein Thema, früher allerdings gewissermaßen am Rande, während er heute ins Zentrum gerückt ist. Das Thema, vor dem sich jeder Fleischesser drücken will (und wo viele Menschen ihren Fleischverzicht herrühren), ist der Schlachthof, und man geht mit Unbehagen an den vielen Geräten aller Art vorbei, mit denen der Tod aus dem lebendigen Tier die tote Ware Fleisch macht, die dann zerlegt und für die Verarbeitung und Weiterleitung fertig gemacht werden musste. (Empfindlichen Gemütern wird davon abgeraten, sich in dieser Abteilung die Videos anzusehen.)

Transport, Vermarktung, Verkauf In der Folge geht es um Logistik. In der Monarchie verhandelte die Produktenbörse über den zentralen Fleischmarkt in St. Marx die Fleischversorgung der Millionenstadt Wien. Schweinefleisch spielte die wichtigste Rolle, gefolgt von Rind und Geflügel, der Rest war vergleichsweise geringfügiger. Kühlhaus, Wurstmaschine, Konservendose (hier setzt dann die fabrikmäßige Verarbeitung ein) sind mögliche Stationen, aber von da ging es ins Geschäft – „Auf der Budl und im Korb“ nennt die Ausstellung dieses Kapitel, wo das Fleisch in den Alltag der Menschen eintritt.

Schließlich auf den Teller Es ist ein breites Feld, die Geschichte des Fleischverkaufs nachzuvollziehen, wobei sich eigene Berufe bildeten. Es gab nach und nach Spezialgeschäfte, deren Name für Qualität standen. Eine Wand voll von Werbeplakaten zeigt, dass es hier schon starke Konkurrenz gab und dass man versuchte, den Kunden (diesmal im wahren Wortsinn) „den Mund wässrig“ zu machen. Von der Wiener Genreszene bis zur Karikatur ist der Fleischverkauf auch ein Thema für die Künstler, so wie das Thema Kultur-, Sozial- und Kunstgeschichte streift. Die nächste Station des Themas findet wieder auf Werbeplakaten statt – hier werden denn Küchen und nötige „moderne“ Geräte, vom Herd bis zum Kühlschrank, vom Topf bis zum Messer angeboten. Aber natürlich auch die Semmelbrösel, ohne die es kein Wiener Schnitzel gibt…
Wie die „Wiener“ zu Frankfurter wurden Die von Jakob Lehne und Sarah Pichlkastner kuratierte und äußerst übersichtlich gestaltete Ausstellung bietet auch iin den ausführlichen Bildlegenden viel Detailwissen. Dass die „Frankfurter“, die in Wien so gerne gegessenen langen Würstel, in aller Welt „Wiener“ heißen, hat man hier und da gehört. In der Ausstellung wird (neben einem Gemälde des Herren) die Geschichte des Johann Georg Lanner erzählt, der als Wiener Fleischergeselle in Frankfurt in die Lehre ging. Nach Hause zurück gekehrt, machte er 1804 hier eine eigene Fleischhauerei auf. Aus Frankfurt mitgebracht hatte er ein Wurstrezept aus hochwertigem Schweine- und Rindfleisch, das dort „Wiener“ hieß. Lanner schaffte es mit diesen exzellenten Würsten, die Distanz der höheren Kreise zur manchmal verdächtig betrachteten Wurst zu überwinden. Er nannte seine Würstel „Frankfurter“, und dabei ist es in Wien auch geblieben. Ihre Beliebtheit ist ungebrochen. vor allem bei jenen, denen die deftigen Geschmäcker von Debreciner, Krainer usw. zu heftig sind…

Die komplizierte Gegenwart Der historische Teil der Ausstellung führt geradlinig durch eine Vergangenheit, wo vieles einfacher war, selbst wenn die Stadtverwaltung immer Hygiene im Auge hatte und es schon im 19. Jahrhundert alternative Bewegungen gab, die auf vegetarische Kost setzten. In der Gegenwart ist neues Bewusstsein aufgekommen, sowohl für das Menschenwohl wie für das Tierwohl. Bei den Zukunftsalternativen steht Fleischverzicht ganz vorne und wird von der Jugend aus ideologischen Gründen zweifellos in hohem Maß angenommen. Für eine ältere Generation gehören Schnitzel, Schweinsbraten oder Backhendel noch dazu. So schnell wird man das Fleisch wohl nicht los…
Wien Museum Karlsplatz 8, 1040 Wien
FLEISCH
Vom 02. Oktober 2025 bis 22. Februar 2026
Dienstag, Mittwoch und Freitag, 09:00 bis 18:00 Uhr, Donnerstag, 09:00 bis 21:00,
Samstag und Sonntag, 10:00 bis 18:00 geöffnet.

