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WIEN / Weltmuseum: DER EUROPÄISCHE KORAN

Selbst Goethe wirbt für den Islam

06.10.2024 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Weltmuseum:
DER EUROPÄISCHE KORAN
Vom 18. September 2024 bis  zum 24. August 2025

Selbst Goethe wirbt für den Islam

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Was der Koran gläubigen Muslimen bedeutet, muss nicht näher erläutert werden, es ist bekannt: Es ist ihr Heiliges Buch, das verbindliche Verhaltensregeln vorgibt. Aber wie stehen die Europäer zum Koran? Schließlich hat es unter ihnen immer wißbegierige Wissenschaftler und Laien gegeben, die sich interessiert mit fremden Religionen auseinandersetzten. Ein an sich so „theoretisches“ Thema, zu dem es im Grunde nur Gedrucktes gibt, das man hierzulande nicht lesen kann, ist nicht leicht auszustellen. Im Weltmuseum wird es versucht.

Von Renate Wagner

Der Koran     Der Überlieferung nach (die in den einzelnen Zweigen des Islam auch variiert) hat Allah dieses Buch Mohammed persönlich diktiert und dieser schrieb es auf oder ließ es aufschreiben. Es ist Glaubenslehre und Gesetzbuch  zugleich, an das sich gläubige Muslime  halten. Die Ausstellung  zeigt, wie unendlich viele Ausgaben es in so gut wie allen Sprachen gibt, wie die Optik durch die jeweilige Kultur geprägt wird.

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Die Europäer   Für Europa waren die Kreuzzüge ein politisches Desaster. Allerdings brachten sie die Begegnung mit der islamischen Welt und dem Koran, und in den Kreisen der Wissenschaft (wie sie auch in den Klöstern gepflegt wurde, wo man die ersten Koran-Übersetzungen herstellte) stieß diese Hochkultur auf gebührendes Interesse. In den Türkenkriegen konnte man nach der Niederlage der Angreifer zahlreiche Koran-Ausgaben rauben (wie man heute sagen würde). Das Blatt „Karlsruher Türkenbeute“ zeigt eine Sammlung von Trophäen, die badische Markgrafen in den Türkenkriegen erbeuteten und das ist natürlich von hoher historischer Relevanz.

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Der Koran als Kunstwerk   Man sieht kalligraphisch wunderschöne Exemplare, prinzipiell ähnlich den geschmückten Bibel-Handschriften der Klöster. Prachtstücke eigneten sich auch als Geschenke – als die East India Company im Zug der Kolonialisierung Werke aus dem Besitz der Maharadschas einkassierte, widmete man ein besonders schönes Exemplar dem englischen König George III.  

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Werbung mit Goethe   Tatsächlich aber ist die Intention der Ausstellung weniger kunsthistorisch als wissenschaftlich, eine Zusammenarbeit mit dem European Research Council (ERC) Synergy Grant Projekt “The European Qurʾān. Islamic Scripture in European Culture and Religion 1150–1850 (EuQu)”. Und so etwas vermittelt sich dann nicht so einfach. Nicht von ungefähr hat man als Signatur-Plakat ein Bildnis von Goethe gewählt, in Ornamente eingebaut, einen Koran in der Hand. Denn Goethe zählte zu jenen Gebildeten, die sich mit vielen damals virulenten Fragen auseinander setzten (und der dann auch das neue Wissen  im West-Östlichen Diwan zur Dichtung machte)..

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Ebenso suggeriert das Bildnis der schwedischen Königin Christina,, dass  auch die gelehrten Frauen den Koran lasen. Naturgemäß näherte man sich einst in der Reformation (die Muslime als Feinde) dem Thema anders als in der Romantik (als Dichtung) oder in der Aufklärung (wo man sich mit der Moralfrage befasste). Man sieht Übersetzungen, man sieht Bücher mit historisch-kritischen Anmerkungen, schließlich sogar eine deutsche Fassung, die auch kindergerecht gemacht. wurde

koran jude vn img 6109~1Auch die Zusammenhänge zwischen Islam und Judentum waren Gegenstand deutschsprachiger wissenschaftlicher Erörterung. Kurz, man kann gewissermaßen beweisen, dass man den Koran zumindest zum Objekt europäischer Betrachtung gemacht hat – und das über das Element des schicken „Orientalismus“ hinaus.

Cui bono?     Diese Ausstellung ist vermutlich in erster Linie ein Gesinnungs-Manifest des Direktor Jonathan Fine (derzeit Direktor des Weltmuseums Wien, ab nächstem Jahr Direktor des Kunsthistorischen Museums). Man  wendet sich wohl vor allem an die Muslime in Österreich, die mit dem Thema auch sprachlich umgehen können. Darum hat man die Beschriftungen an der Wand auch in arabischer Sprache angeboten. Für jene, die dieser nicht mächtig sind, mag es allerdings tatsächlich eine Anregung sein, sich neben der Bibel (und der Thora) auch mit dem Koran näher zu beschäftigen, zumal er in der aktuellen politischen Diskussion vielfach so unterschiedlich bis gegensätzlich  interpretiert und in hitzigen Diskussionen manipulativ eingesetzt wird.

Weltmuseum  Neue Hofburg, Heldenplatz, 1010 Wien
DER EUROPÄISCHE KORAN
 Vom 18. September  2024 bis zum  24. August 2025 im
Täglich außer Montag 10 bis 18Uhr, Dienstag bis 21 Uhr

 

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