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WIEN / Volx: SZENEN EINER EHE

31.03.2023 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Volkstheater

WIEN / Volx: 
SZENEN EINER EHE
frei nach dem gleichnamigen Film von Ingmar Bergman
Premiere: 30. März 2023 

Der legendäre Film von Ingmar Bergman aus dem Jahr 1973 wirft offenbar lange Schatten, denn sonst hätte der Titel „Szenen einer Ehe“ nicht diese Zugkraft gezeigt – die Premiere war ausverkauft, und das passiert im Volkstheater selten, auch wenn es sich um den kleinen Raum des Volx in Margareten handelt. Aber wie so oft war es die reinste Mogelpackung, der Film nur rudimentär vorhanden, Vorwand für Gewaltszenen besonderer Art, außerdem dazu gedichtet, bearbeitet, verfälscht.

Dabei hört man zu Beginn auf Englisch die Stimme des Regisseurs Markus Öhrn: Er sei selbst Schwede und stolz darauf, dieses Werk seines berühmten Landsmannes zu realisieren. Das tut er allerdings nicht. Er paraphrasiert es auch kaum. Er vergewaltigt es, indem er die Figuren vergewaltigt.

Von den vier „Szenen“, die er bietet, ist letztlich nur die erste dem Original nahe. Drei davon spielen in einem Raum, der in so milchweißes Licht getaucht ist, dass man im Grunde nichts Genaues erkennen kann. Episode 3 kommt ganz auf die Leinwand (also aus dem Video).

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Die Darsteller tragen Masken mit künstlichen Glasaugen und grotesken Mündern. Ihre Stimmen werden dermaßen verzerrt, dass sie in ihrer Groteskheit tatsächlich zu den Marionetten passen, die da auf der Bühne stehen.

Das „Interview“ zu Beginn – Johan, der Mann, selbstherrlich, Marianne, die Frau, selbstzufrieden – ist von dem Knacken und Knarren einer schlechten Übertragung begleitet (und von Beethoven). Die Diskussion um das dritte Kind (im Hintergrund Bach) erfolgt in Blut und mit dem Herumschleppen einer Nabelschnur. Wenn (im Film) Ehemann Johan seiner Frau erklärt, dass er sie verlassen wird, konzentriert sich die Aktion vor allem darauf, Pizzastücke in die unbeweglichen Kunstmünder zu schieben – eine Unappetitlichkeit, die den Magen umdreht. Und das Ende, das bei Bergman geringfügige Gewalt enthält, wird zum Schlachtfest, indem sich beide mit dem Messer massakrieren, bevor sie auferstehen und einen Song anstimmen…

Willige Besucher neben mir wollten mir erklären, wie hier die Künstlichkeit von Beziehungen und natürlich auch der Kapitalismus kritisiert würde. Von solch gutwilligen, interpretationsfreudigen Menschen, die jede Widerlichkeit über sich ergehen lassen, weil sie diese offenbar gar nicht mehr empfinden, leben solche Produktionen. Was Bettina Lieder und Elias Eilinghoff leisten, ist kaum zu beschreiben, zumal sie es unter Selbstaufgabe ihres Ichs tun. Abverlangt hat ihnen das ein junger Mann, wie man beim Verbeugen sah, mit langem Blondhaar und in einem Kleidchen. Und es stellt sich wieder einmal die Frage, ob wirklich kommen kann, wer da will, sich nehmen, was er will, und daraus machen, was er will, ohne den geringsten Respekt vor dem Original…

Ob Ingmar Bergman von dieser perversen Vernichtung seines Werks – Landsmann hin, Landsmann her – angetan gewesen wäre, kann man nicht einmal ahnen.

Renate Wagner

 

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