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WIEN / Volx / Margareten: URFAUST / FAUSTIN AND OUT

28.02.2020 | KRITIKEN, Theater

 
© Christine Miess_Volkstheater

WIEN / Volkstheater im Volx / Margareten:
URFAUST / FAUSTIN AND OUT
Von Johann Wolfgang Goethe / Elfriede Jelinek
Premiere: 28. Februar 2020

Ein ausverkaufter Premierenabend, Elfriede Jelinek zieht immer in Österreich, auch wenn es sich um ein acht Jahre altes Stück handelt, damals zum Fall Fritzl geschrieben – Österreich liefert der Jelinek genug Skandale und Abgründigkeiten, um ihre Wortströme in Gang zu setzen. Das „Sekundärdrama zu Urfaust“ käme in ihrem Text ganz ohne Goethe aus, aber hier entschied Regisseurin Bérénice Hebenstreit für ihre Fassung anders.

Herr Faust (plus Mephisto, Gretchen, Geister) darf dabei sein – er hockt in Gestalt von Günter Franzmeier auf dem Balkon und beginnt (ins Mikro) mit „Habe nun, ach…“ – und das immer wieder in anderem Tonfall, wie ein Schauspieler, der übt. Der bekannte Text, wenn auch im „Urfaust“ noch ungeschliffen, prägt sich ein, bis die drei „Figuren“, die sich unten auf der Bühne herumtreiben, schließlich doch noch  aktiv werden. Endlich kommen die Jelinek-Kommentare zur Männerwelt zum Tragen, feministische Wut und ihre berühmten ökonomischen Überlegungen. Die Regisseurin – sie kann, wie üblich, mit dem Jelinek-Text machen, was sie will – lässt den „Faust“ nur einmal auf die Bühne: In Gestalt eines Supermarkt-Angestellten, der zwei Becher abgelaufenen Puddings mitgenommen hat und dafür entlassen wurde…

Die Jelinek sieht sich, wie sie selbst schreibt, als „kläffenden Hund“, die die Blöcke so männlichen Schaffens umkreist und das Bein hebt, um daran zu pinkeln (wenn das auch eher ein männlicher als ein weiblicher Hund wäre…). Es ist nicht besonders unterhaltsam, aber ja, die unterdrückten Frauen maulen auf, und man kann sagen, dass es Steffi Krautz sprachlich brillant tut, dass Sebastian Pass giftig für Nebenrollen zur Verfügung steht, und Nadine Quittner darf (nachdem einem geschilderte  Szenen aus dem Fritzl-Haushalt den Magen umgedreht haben) auch mit Goethe abrechnen. Kein Sinn, sagt sie (sagt die Jelinek), sich immer wieder mit dem alten Herren auseinander zu setzen. Das sind nicht unsere Themen. Das interessiert nicht mehr. Basta. Jelinek statt Goethe.

Trotzdem muss man sagen, dass der kräftige Goethe-Beitrag dem stürmisch akklamierten Abend nicht schlecht getan hat… Man kann schließlich keine starke Attacke reiten, wenn man keinen würdigen Gegner hat. Und vielleicht darf man in diesem Zusammenhang auch Grillparzer zitieren:
Der Hund bellt an den Mond,
Der leuchtet wie gewohnt,
Gibt sich durch Strahlen kund
Und bleibt der holde Mond,
So wie der Hund – ein Hund.

Renate Wagner

 

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