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WIEN / Volx Margareten: MONSIEUR IBRAHIM UND DIE BLUMEN DES KORAN

29.11.2019 | KRITIKEN, Theater

WIEN / Volkstheater / Volx Margareten, Bezirksvorstellung:
MONSIEUR IBRAHIM UND DIE BLUMEN DES KORAN von Éric-Emmanuel Schmitt
Premiere: 29. November 2019

Éric-Emmanuel Schmitt ist ein souveräner Theater-Routinier und hat sich zweifellos jedes Detail seines Stücks „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ auf das genaueste überlegt, um die maximale Wirkung zu erzielen. Milieu: ein Pariser Vorort. Hier ein halbwüchsiger jüdischer Junge (an sich 11 Jahre gedacht, auf der Bühne sozusagen unbeschrieben „jung“), aus tragischen Familienverhältnissen, dem verkrampften Vater nur Widerstand entgegen setzend. Das Unglück der unteren Klassen.

Und dort dann die Gegenwelt: Monsieur Ibrahim, der alte Moslem, der von Früh bis spät in die Nacht, sieben Tage in der Woche, in seinem Kramladen sitzt. Die langsame Annäherung der beiden. Östliche Weisheit gegen westliche Starre. Viele, kleine, effektive, theaterwirksame Details.

Das Stück könnte mit einer Menge Nebenrollen und Schauplätzen gespielt werden. Regisseur Jan Gehler passt sich den Gegebenheiten des Volx in Margareten (und den künftigen Spielstätten der Außenbezirke) an: Minimaler Aufwand vor einer Wand, die als Kreidetafel fungiert und auf die gelegentlich gezeichnet wird. Alle Nebenrollen für einen Schauspieler, maximal zwei Sitzgelegenheiten. Und das alles äußerst geschickt arrangiert.

Und eine wirklich bemerkenswerte darstellerische Leistung: Dominik Warta ist „alle“, ein gequälter Vater und eine gequälte Mutter, ein ärgerlicher Beamter, ein ratloser Verkäufer, ein jovialer Fahrlehrer, und als Brigitte Bardot gab es fast Szenenapplaus. Es sind nicht nur die Klamotten, mit denen er sich verändert, er zeigt, was ein Schauspieler können kann. Ein Vergnügen.

Dass der Abend, etwas mehr als 80 Minuten, dennoch lang wirkt und gegen das Vorbild (und das ist natürlich der Film von 2003 mit Omar Sharif) wirkt wie eine blasse Schwarzweißskizze zu einem farbenreichen Gemälde, liegt an der unzureichenden Besetzung der Hauptrollen.

Es ehrt das Volkstheater, einem 23jährigen Afghanen, der auch noch sehr gut Deutsch spricht, eine Hauptrolle anzuvertrauen, aber Bagher Ahmadi wirkt nicht eine Sekunde wie ein jüdischer Junge (und dieser Gegensatz wäre so wichtig). Eigentlich ist er optisich der „Araber“ des Abends, auch weil Michael Abendroth gar nichts tut, um den „Araber“ (der keiner ist, sondern ein in Damaskus geborener, in Konya sozialisierter Osmane) auch nur im geringsten anzudeuten. Das könnte allerdings ohnedies nur peinlich ausfallen, wie die Schlußsequenz zeigt, wenn er tatsächlich im Gewand eines der „tanzenden Derwische“ erscheint. Das ist einfach – albern. Und was ist er sonst? Ein lethargischer Weißer ohne Ausstrahlung.

Da hat man also einen Europäer, aus dem keine Sekunde die Weisheit des Ostens „leuchtet“, und einen Araberjungen auf der Bühne, und das Gefüge des Stücks ist im Eimer, die Geschichte stimmt überhaupt nicht mehr. Nichts von dem, was erzählt wird, funktioniert solcherart (außer die Nebenszenen mit Warta in den verschiedenen Rollen). Sicher, Omar Sharif läuft nicht herum, um diesem Bühnenstück das zu verleihen, was es an Magie braucht – aber warum spielt man den „Monsieur Ibrahim“ dann überhaupt, wenn man so gar keine stimmigen Voraussetzungen schaffen kann?

Renate Wagner

 

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