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WIEN / Volx/Margareten: DER WEIBSTEUFEL

21.09.2018 | KRITIKEN, Theater

Fotos: Volkstheater, Alexi-Pelekanos

WIEN / Volx/Margareten / Vorstellung für die Bezirke:
DER WEIBSTEUFEL von Karl Schönherr
Premiere: 21. September 2018

Karl Schönherrs „Weibsteufel“, sein erfolgreichstes Stück, weil so prachtvoll konzentriert – drei Personen, ein Geschlechterkampf, ein Machtkampf jeder gegen jeden – zieht für das Volkstheater in die Bezirke. Die Premiere fand, wie immer, im Volx Margareten statt. Bekam viel Beifall. Und war wieder einmal ein Exempel.

Es ist zu bezweifeln, dass Regisseur*innen (nein, das Gender-Sternchen ist zu blöd, einmal und nie wieder) den Dichtern „helfen“ wollen. In diesem Fall kann niemand so dumm sein, nicht zu erkennen, dass man ein psychologisch und dramaturgisch perfektes Stück vor sich hat. Nein, sie wollen mit dem Mutwillen ungezogener Kinder, die genau wissen, dass niemand ihnen auf die Finger klopft, die alte Puppe neu anziehen und schminken, bis sie zur Unkenntlichkeit verunstaltet ist – und was ein Dichter einmal geschrieben hat, schert sie nicht das Schwarze unter dem Fingernagel.

Regisseurin Christina Rast „bastelt“ von Anfang an, wenn die Frau (bei Schönherr „das Weib“) sich erst einmal hinstellt und in einem Song ihre Befindlichkeit festhält: Offenbar fühlt sie sich wie ein Geier, mit Resten gefüttert, aber auf ihre Stunde wartend. Später werden sie und ihr Mann zwischenzeitlich kurz Vogelköpfe aufsetzen. Dabei befinden sie sich auf der von Christina Rast und Stella Krausz geschaffenen leeren Bühne, aus deren schwarzen Vorhangwänden Hände, Beine und ganze Menschen kommen. Zählt es auch zur Ausstattung, wenn sich die Frau am Ende Plastikplanen an die Wand klebt (sie wird schließlich Leichen wegschaffen müssen) und praktischerweise Gummihandschuhe anzieht?

Eine Bühne, wo nichts ist, muss sich ihre Requisiten von oben holen: Immer wieder Kübel herabziehen, damit der Mann (das hat kein Schönherr g’schrieben) „Passt“ sagen kann: Er ist mit dem Schmuggelgut, das er „verhehlern“ kann, zufrieden. Am Ende, wenn er tot ist, schreibt die Frau „Passt“ an die Wand. Wie gesagt, das ist Rast-Sprech, mit dem Stück hat es nichts zu tun.

Dazwischen liegt die die knisternde Geschichte, die man üblicherweise in unseren Breiten in gedämpftem Tirolerisch spielt – was sich die drei Darsteller hier an „Dialekt“ ausdenken, ist nicht nur nicht zu orten, sondern auch immer wieder lächerlich. Wie auch ihr Verhalten, wobei Katrin Grumeth zu den schlimmsten Exzessen angehalten ist.

Eine junge Frau von heute in Pollunder und Hosenrock, plaudert sie den Text herunter, muss zwischendurch in Zuckungen ausbrechen, sich selbst als „erwachtes Weib“ brüllend ausstellen (ohne Peinlichkeit und Lächerlichkeit nicht möglich), und am Ende denn den Hexensabbat von Rache und Mord zucken, den die Regisseurin sich ausgedacht hat.

Dass dieses Stück seine Beziehung erst zwischen schwächlichem Ehemann und Frau (das „Saugflaschenmandl“ wurde ebenso gestrichen wie die Sehnsucht der Frau nach einem Kind, die versteckte Kinderwäsche), dann zwischen Frau und Grenzjäger auslotet, kommt kaum zur Geltung: Dazu ist das Gebotene viel zu beiläufig. Sicher, Schönherr hat (wie Schnitzler auch so oft) ein „Frauen-Stück“ geschrieben: Der Mann will sie benützen, um mehr Geld zu raffen, der Grenzjäger tut Gleiches, wenn er anfangs nur scheinbar um sie wirbt, um Karriere zu machen, wenn er mit ihrer Hilfe den Mann überführt. Und die Frau, bisher erotisch tot, hier sexuell angespitzt, flippt aus. Aber gewiss nicht so, wie Christina Rast es vorführt. Mit allen Extremen, Exzessen und albernen symbolischen Aktionen, die sie sich nur ausdenken kann. Wie unnötig.

Zur unglückseligen Hauptdarstellerin gesellen sich Lukas Holzhausen, viel zu „gesund“, um den Mann im Sinne Schönherrs glaubhaft zu machen, und Christian Clauss, dem man den von seinen Trieben (oder auch nur Hormonen) gebeutelten jungen Mann schon eher glaubt (er darf auch einen wahrhaft turnerischen Beischlaf imaginieren).

All das mutet Anna Badora dem Publikum der Bezirke zu, das ohnedies zum Großteil abgebröckelt ist. Da möchte man das jüngste Gerücht aufgreifen, dass man ihr und den Zuschauern ihre letzte Saison erspart, das Haus zusperrt, renoviert und nach einem Jahr dann ganz, ganz vorsichtig neu beginnt. Irgendwie in Richtung Qualität, Geschmack, Verantwortung…

Renate Wagner

 

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