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WIEN / Volkstheater-Volx: HANGMEN (Die Henker)

31.01.2017 | KRITIKEN, Theater

Hangman Theke x
Fotos: © Alexi Pelekanos / Volkstheater

WIEN / Volkstheater im Volx/Margareten:
HANGMEN (Die Henker) von Martin McDonagh
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 25. Jänner 2017,
besucht wurde die Aufführung am 30, Jänner 2017
Von allen gegenwärtigen Dramatiker-Talenten ist der irischstämmige Brite Martin McDonagh, Jahrgang 1970, vielleicht das schauerlichste. Und sicher auch eines der genialsten. Niemand kann wie er auf der Bühne Psychoterror entfesseln, die Menschen diesseits und jenseits der Rampe gleichzeitig regelrecht foltern und in ihren niederträchtigen Abgründen desavouieren.

In seinen Anfängen, in den späten neunziger Jahren, sah man seine Stücke („Beauty Queen“, „Der einsame Westen“) noch in der Drachengasse und lernte das Gruseln. Dann war schon das Burgtheater an der Reihe, mit dem „Leutnant von Inishmore“ (2002) und dem „Kissenmann“ (2003). Anschließend hat sich Martin McDonagh eine zeitlang dem Film zugewandt und dort vor allem seinen schrägen Humor gepflegt (bei „Brügge sehen… und sterben?“ 2008 und den irrwitzigen „7 Psychos“ 2012).

„Hangmen“, 2015 uraufgeführt, ist nach einer fast zehnjährigen Pause so etwas wie McDonaghs Comeback auf dem Theater – eine Spur weniger radikal als früher, aber immer noch schlimm genug. Und begabt genug. Wobei sich Menschen mit einiger Sensibilität sich schwer tun werden, alles auszuhalten, was sie bei der Österreichischen Erstaufführung des Stücks auf der Bühne des Volx / Margareten geboten kommen…

Es beginnt mit einer Hinrichtung, deren Delinquent sich brüllend wehrt, seine Unschuld beteuert und dem Zynismus seiner Henker gegenübersteht – schon das dreht einem den Magen um, wenn das Baumeln am Strick dann auch gnadenhalber hinter einem Vorhang nur als Silhouette stattfindet. Am Ende liegt wieder ein Toter auf dem Boden, nur diesmal hat man Folter und Erhängen im Pub zusehen müssen. Dazwischen feiern Zynismus, menschliche Niedrigkeit und allerübelster Sadismus fröhliche Urständ… Man kann sich vorstellen, wie gut das sein muss, dass man angesichts des inneren Widerstands auch noch die Qualität dieses Autors erkennt.

Es geht, wie der Titel „Hangman“ sagt, um einen Henker, einen der letzten in Großbritannien. An dem Tag, wo in England 1965 die Todesstrafe abgeschafft wird, geht es im Pub von Harry Wade groß zu, die üblichen Säufer feiern ihren „letzten Henker“, der sich für den „besten“ hält, obwohl Kollege Albert Pierrepoint (der übrigens eine historische Figur ist!) ihn später in einem kurzen, enorm wirkungsvollen Auftritt nicht einmal als den zweitbesten gelten lässt. Was soll’s – für zynische, überhebliche Bemerkungen ist Harry sich immer gut, zumal, wenn ein Journalist ihn ausfragt.

McDonagh entwickelt die Situation, stellt als wichtige Protagonisten Harrys Frau, die ununterbrochen Bier zapfen darf, und seine 15jährige Tochter Shirley vor, die sich in der Welt der Erwachsenen ziemlich unglücklich fühlt, und setzt das Geschehen dann in Gang, als „Peter Aloysius Mooney“ (wie immer er auch in Wirklichkeit heißen mag) auftaucht. Wer er ist und was er vor hat, außer Harry Wade aus seiner Selbstzufriedenheit zu reißen, sagt der Autor bis zum Ende nicht, aber im boshaften Aufreizen seiner Umwelt, im schrecklichen Verführen des jungen Mädchens ist er von unübertrefflicher Widerlichkeit. Es ist absolut logisch, dass das Stück dank seiner mut- und böswilligen Aktionen in eine kapitale Katastrophe rast… nur, dass sich im Pub die nötigen Utensilien finden, einen Menschen nicht nur zu foltern, sondern auch zu erhängen – na ja, für das Stück ist es nötig.

Hangman Wade und Frau
Lukas Holzhausen, Steffi Krautz

Für das Volkstheater hat es Lukas Holzhausen (in einem stimmungsvollen Pub-Bühnenbild von Jane Zandonai) inszeniert und spielt den selbstgefälligen Harry Wade, der sich über die Berechtigung seines Tuns nicht den Kopf zerbricht, wohl aber Erinnerungen an Hinrichtungsdetails geradezu genießt, wozu ihm die Umwelt applaudiert. Als Regisseur hat Holzhausen nur ein Element des Stücks voll erfasst, nämlich den untergründigen Schrecken, der immer wieder aus scheinbarer Normalität erwächst. Was dem Abend ganz fehlt, ist der typische britische rabenschwarze Humor, das Lachen wider Willen über die Unverschämtheiten, die an allen Ecken und Enden hervorbrechen. In dieser Aufführung wagt es gar niemand zu lachen, und damit stimmt sie nur halb.

Es gibt ein paar prächtige darstellerische Leistungen, voran die Frauen: Steffi Krautz als Harrys Gattin Alice, die viele Nuancen an Verachtung ihrer Umwelt, durchaus Grausamkeit der Tochter gegenüber und schließlich verzweifelte Mutterliebe vermittelt, immer mit dem Versuch, die Mitwelt nichts von ihren Gefühlen merken zu lassen. Das kommt mit ganz starker Ausstrahlung von der Bühne. Und wenn Alina Schaller auch die Schüchternheit der Tochter Shirley mit dem Zupfen am Schottenrock manchmal übertreibt – wie unglücklich so eine Fünfzehnjährige sein kann, die in der Welt nur herumgeschubst wird, vermittelt sie geradezu anrührend.

Der Katalysator des Stücks, der mit der Pose eines tänzelnden Clowns das absolute Böse ins Geschehen bringt, ist Rainer Galke, der nicht nur abstoßend, sondern in seiner Unberechenbarkeit auch erschreckend gefährlich wirkt. Eine tolle Studie liefert Sebastian Klein als abgesägter „Henkersgeselle“ und Kleinkriminelle Syd, ein junger Mann, aus der Bahn geworfen, hektisch durchs Leben schwankend. In der kleinen Rolle des Henkers Pierrepoint hat Michael Abendroth endlich eine Rolle gefunden, in der er wirklich und wahrhaftig brillieren kann.

Kaspar Locher muss am Anfang (aus verständlichen Gründen) toben, bevor man ihn zum Galgen schleppt, Nils Rovira-Muñoz spielt den jungen Journalisten, der mit List und Tücke zu seinem Interview kommen muss, und vier Herren – Alfred Schibor, Jürgen Weisert, Günther Wiederschwinger (nebenbei auch funktionsloser Polizist des Ortes) und Mario Schober (als Einziger, der nicht immer im Chor der Säufer ja und amen sagt, sondern unschuldsvoll widerspricht), saufen sich durch den Abend.

Der ein starkes Stück ist, in jeder Hinsicht. Und wie immer bei Martin McDonagh nichts für schwache Nerven.

Renate Wagner

 

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