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WIEN / Volkstheater: VIEL LÄRM UM NICHTS

03.03.2018 | KRITIKEN, Theater


Fotos: lupispuma_com_Volkstheater

WIEN / Volkstheater:
VIEL LÄRM UM NICHTS von William Shakespeare
Premiere: 2. März 2018

An sich könnte man von „Viel Lärm um nichts“ wenig mehr sagen, als dass es eine sehr hübsche, lockere Komödie von William Shakespeare ist, die auch ihr tragisches Einsprengsel (Braut wird falsch verdächtigt, Bräutigam wendet sich ab, zeigt dann Reue, und es wird ihm vergeben) nicht allzu schwer nimmt. Im Grunde ist es eine Variation von „Der Widerspenstigen Zähmung“, nur dass in diesem Fall beide Beteiligten „widerspenstig“ ihre Liebe nicht zugeben wollen und mit List und Tücke von ihrer Umwelt zusammen gebracht werden müssen. An sich begreift man nicht, was das Volkstheater der Anna Badora, politisch immer so ambitioniert, mit einem solchen Stück will.

Tatsache ist, dass in diesem Fall Regisseur Sebastian Schug (der den „Trafikanten“ ganz brav und konventionell auf die Bühne geschickt hat) unter dem Motto „Wehe, wenn sie los gelassen“ agieren durfte – und das Ensemble sprang, zuckte, tobte, slapstickte nach allen Regeln der Kunst mit. Christian Kiehl hat auf die Drehbühne ein beherrschendes Podium für eine Pop-Band gestellt (Musik: Thorsten Drücker und Musiker), der Rest ist mit Treppe, Obergeschoß, eigenem Bühnenrahmen einfach nur undefinierbarer Spielraum.

Die Übersetzung von Angela Schanelec ist mehr heutige Sprache als Shakespeare, oft und gerne unter der Gürtellinie, angepasst einer „Spaßkultur“ von Swinging Zwanzig- bis Dreißigjährigen, deren Verhalten sich in den Bahnen kreischender Überhektik verliert. Es wird von den Darstellern an diesem Abend so ausführlich gesungen, dass man fast den Eindruck hat, es wäre ein Musical angepeilt. Dass daneben auch ein Stück zu spielen ist, kommt eigentlich erst einigermaßen im zweiten Teil heraus, aber auch da beherrscht der Stil die Handlung.

Wenn sich jetzt natürlich nicht im entferntesten mehr Prinzen, Aristokraten, Gouverneure und Grafen auf der Bühne befinden, nicht Aragonien, Sizilien, Padua als bunte Herkunftsorte, sondern nur eine undefinierbare Gesellschaft von heute (dass die jungen Männer zu Beginn aus dem Krieg kommen, spielt weiter keine Rolle), ist die Geschichte nicht so einfach ins Heute zu übersetzen – hier Degen fechtende junge Männer, dort ein Priester, der aus dem Nylonsackerl Kokain schnupft, die Handlung passt von vorn und hinten nicht, aber darüber hat sich ja kaum ein Regisseur von heute je den Kopf zerbrochen.

Sebastian Schug lässt also – im heutigen geschmacklosen, grell glitzernden, aber charakteristischen Fetzenlook (Kostüme Nicole Zielke) eine irre, wirre, schrille Show abziehen, in der den Darstellern jegliche Natur ausgetrieben ist. Wenn man allerdings eine tobende, zuckende, gefühlsrotierende Beatrice so spielt wie Isabella Knöll, dann erhebt sich das Wunder des Theaterhandwerks tatsächlich über alle Regie-Gewalttaten.

Ganz so gut wie ihr gelingt das keinem sonst, wobei – man will nicht unhöflich sein, aber doch – Jan Thümer für den Benedikt, so flott er sich auch gebärden will, ein paar Jährchen zu viel auf dem Buckel hat. Mit Temperament gehen die anderen (etwa Nadine Quittner und Kaspar Locher als Zweitpaar Hero und Claudio) auf ihre Rollen los. Dass Schauspielerinnen wie Evi Kehrstephan (Margaret) oder Claudia Sabitzer (Ursula), die immer für Hauptrollen gut sind, in schmählichen Nebenrollen verhungern müssen, ist schade (der innige Kuß, den sich die Damen am Ende geben, ist eigentlich nicht zu erwarten gewesen). Auch für Sebastian Pass (Don Pedro) und Peter Fasching (Borachio) bleibt nicht besonders viel zu tun,

Zu erwähnen ist hingegen Thomas Frank als schlechtweg irrwitzig komischer Pater, Steffi Krautz, die Dame in der Männerrolle und als einzige in einem historischen Gewand (ein bisschen wie Captain Hook im Peter Pan), als scharfstimmige Bösewichtin (hier heißt sie Donna John), und zu Stefan Suske, der noch immer ein vorzüglicher Brautvater Leonato war, muss man an diesem Premierenabend noch den Souffleur Jürgen M. Weisert nennen, der die Vorstellung gerettet hat – er sprach nämlich für den total heiseren Suske, der seine Rolle spielte, den Text per Mikrophon in die Handlung hinein. Dankenswert.

Ein Abend wie dieser ist natürlich ein Konzept: Damit kann man das im doppelten Sinn „alte Publikum“ hinausspielen und die Smartphone-Generation hereinholen. Die pfiff und johlte auch nach der Premiere, als befände man sich in einem Pop-Konzert.

Renate Wagner

 

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