Foto: Volkstheater
WIEN / Volkstheater / STREAM:
DIE RECHERCHE-SHOW von Kreation Kollektiv
Basierend auf einer Recherche von DOSSIER
12-Februar 2021
Anders als die etablierten Häuser, die sicher auch nicht gerne warten, steht Kay Voges, der neue Direktor eines sicherlich unter ihm höchst „neuen“ Volkstheaters, in Position: Seit Anfang Jänner will er (im renovierten Haus) zeigen, was er vor hat. Andere Direktoren Wiens haben vorgemacht, dass man das „Bitte warten“ digital überwinden kann. Also geht auch das Volkstheater in den Stream (lässt allerdings, anders als die Staatsoper, und genau wie das Burgtheater, dafür bezahlen). Was man geboten bekommt, wirft allerdings die Frage auf, ob dem Volkstheater zum Einstand nichts Besseres eingefallen ist.
Voraus geschickt wird Calle Fuhr, dem man die Verantwortung für die Bezirksvorstellungen übertragen hat. Erst 26, schon freier Dozent an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin, Autor und Regisseur, wird er sich im Volkstheater im April an Toni Sailer abarbeiten. Mit einem vollmundigen Interview hat er sich bereits vorgestellt, hat schnell gelernt, dass die Wiener sich liebend gern beschimpfen lassen (allerdings muss man wie Thomas Bernhard erst tot sein und 90 geworden, um dermaßen unmäßig in die Arme geschlossen zu werden): Er hat, sagt er, „die Wiener Theaterlandschaft teilweise auch als Sumpf kennengelernt. Nicht komplett in diesem Sumpf zu stecken, finde ich erstmal total super.“ Ach, wie anders ist der Gute.
Glück hat er übrigens, der Calle, dass er in den Stream darf. Zumal in einer Aufführung, die für die Bezirke gedacht ist, wobei man sich gut vorstellen kann, dass das Thema dem dortigen Publikum – na ja, man könnte es auch ordinär sagen, wo es ihm vorbei geht. Zivilisiert ausgedrückt: Es ist gut möglich, dass es einen Großteil der Leute zwischen Hernals und Brigittenau wirklich nicht interessiert, wie der reichste Österreicher zu seinem Geld kommt. Dieses Publikum hat dem Volkstheater schon mal die Faust gezeigt, wenn ihm etwas nicht passt.
Das Einstandswerk für die Bezirke gilt also „Red Bull“ und Dietrich Mateschitz. Vielmehr, es reitet gegen diese. Die Entstehung scheint dabei umständlich. „DOSSIER“ hat recherchiert. Laut Selbstdarstellung im Internet ist das „eine gemeinnützige Redaktion, die seit 2012 investigativen und Datenjournalismus betreibt und fördert“ und dies „im öffentlichen Interesse“. Der für die „Red Bull“-Recherche zuständige Redakteur Georg Eckelsberger wird vielfach zugeschaltet.
Der Abend entwickelt sich wie eine klassische Fernsehdiskussion, die immer wieder in showartige Elemente ausflippt. Wer eigentlich dafür zuständig ist, was die Leute da sagen, wird nicht klar: Das angegebene „Kreation Kollektiv“ kann alles sein. Als „Moderatorin“ fungiert Pia Hierzegger mit Chris-Lohner-Frisur, vielleicht nicht unabsichtlich, denn diese schmierige Glätte der Präsentation scheint verwandt. Ein Herr sitzt am Keyboard (Thomas Pfeffer), ein anderer (Rupert Lehofer) ist als der „Dodel“ eingesetzt, der es wagt, der allgemeinen „böser Didi“-Meinung albern zu widersprechen und sich damit lächerlich macht. Zwei weitere Damen, die zugeben, schon bei Servus TV auch mal viel Geld verdient haben (früher, bevor der Wegscheider mit seinen „rechten“ Sprüchen alles verändert hat!), attackieren: Nicht, dass Julia Franz Richter und Martina Zinner das besonders überzeugend machten. Besonders peinlich wird’s, wenn sie singen oder Gereimtes vortragen. Überhaupt ist die ganze Sache (Regie: Ed. Hauswirth) eine Wackelpartie.
Was wollen sie eigentlich? Infotainment? Satire? Echte Attacke, also das gute, alte Agitprop? Oder alles zusammen blödelnd herumrühren, ergebnislos notabene? Immerhin hat der Stream schon seine Vorteile. Da darf man dem Publikum Fragen stellen und als Zuseher daheim ist man aufgefordert (glücklicherweise nicht gezwungen, so wie das Burgtheater seine Stream-Besucher zwingt), hier zu antworten, schön brav anklicken. Ob man für Mateschitz arbeiten würde? Wenn die kompakte Majorität nein sagt, weiß man ja schon, dass die richtigen Leute vor ihren Computern sitzen. Ich habe nur einmal geantwortet, ob ich je „Red Bull“ getrunken hätte: Nein. Es ist nicht meines Weges gekommen. Alle anderen Fragen waren mir zu blöd.
Was erfährt man im übrigen in 90 Minuten? Dass „Red Bull“ ungesund, ja, sogar giftig ist und Mateschitz ein „Männerbündler“, der seine Karriere mit allen „verdächtigen“ Politikern der Republik gemacht hat. Dass er sein Image verkauft und bei seinen Extremsport-Shows Menschen umkommen (das ist zutiefst bedauernswert, aber eigentlich wird dazu niemand gezwungen?). Dass er sich nicht um die Umwelt kümmert und bereit war, seinen Fernsehsender zum Teufel zu werfen, als man ihm einen Betriebsrat vor die Nase setzen wollte… Was Neues erfährt man also wirklich nicht. Natürlich hässlich, das alles. Unverzeihlich, dass so einer reich wird.
Dafür kommt der Abend dem Volkstheater armselig billig: Gegen einen „Rechten“ los zu preschen, scheint eine auf jeden Fall gewinnträchtige Lösung, da kann man schon mal ideologisch nichts falsch machen. Das Wort „künstlerisch“ werden Leute wie Calle Fuhr möglicherweise gar nicht in den Mund nehmen.
Und die digitale Welt funktioniert – am Ende springen noch die Botschaften herein, „toll“ fand es jemand, „Bravo Calle“, lobte ein anderer. So gemütlich kann es im offenbar so berechenbaren Wiener Theatersumpf sein…
Übrigens: Wer kommt als nächstes? Benko? Fellner? Oder die Silberstein-Affäre? Darüber hätte ich schon immer gern Genaues erfahren, aber die Medien haben ausgelassen. Also, DOSSIER, wie wär’s? Damit die Recherche-Shows endlich mal was bringen kann, das nicht hundertfach bekannt ist und wie eine Neuigkeit verkauft wird…
Renate Wagner