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WIEN / Volkstheater: SCHULD UND SÖHNE

02.03.2020 | KRITIKEN, Theater


lupispuma.com

WIEN / Volkstheater im MuseumsQuartier:
SCHULD UND SÖHNE
Klimatragödie mit Musik von Christine Eder (Text) und Eva Jantschitsch (Musik)
Premiere: 15. Februar 2020,
besucht wurde die Vorstellung am 2. März 2020

Zu Beginn fühlt man sich wie in einer Parodie. Irgendwann in der Zukunft (ha! Es ist schon heute) hat sich eine Handvoll Menschen aufs Land zurück gezogen und lebt im „Schutzhaus zur Zukunft“ das „richtige“, bewusste Leben. Sie teilen, sie schonen, sie sparen (auch wenn dann nur noch einmal in der Woche Duschen angesagt ist) – und wie alle Gutmenschen fühlen sie sich ganz toll, auch weil sie keine neuen Kleider tragen, nur Second Hand! Und sie beten ihr Gutsein selbstzufrieden wie ein Mantra auf und ab – man muss schließlich was davon haben, wenn man auf Dinge verzichtet, die die Rücksichtslosen noch immer in Anspruch nehmen (Auto! Flugzeug! Tourismus!)

Das ist die vegane Ashram-Variation, wo man einem Neuankömmling, der nicht so richtig willkommen ist (aber nach ihren Gutmenschen-Gesetzen müssen sie ja nun wirklich zusammen rücken und ihn aufnehmen..) die strengen Regeln des Zusammenlebens erklärt. Immerhin, jeder darf eine halbe Stunde täglich ins Internet, offenbar hat man ausprobiert, dass weniger nicht möglich ist, wenn diese braven Grünen nicht überschnappen sollen…

Das ist, wie man meint, die satirische Ausgangssituation eines Stücks, das sich „Schuld & Söhne“ nennt (ein sehr guter Titel, das muss man konzedieren) und wieder einmal ein „Lehrstück“ von Christine Eder geworden ist. Nein, kein Musical, obwohl die Komponistin und Liedtexterin Liedtexte Eva Jantschitsch so nachdrücklich genannt wird. Sie macht das trockene Polittheater nicht süffiger, denn wie stets bietet Christine Eder ihren trockenen Agitprop.

Wie konnte es nur so weit kommen, fragen sich die, die sowieso auf dem guten Gefühl schwimmen können, „alles“ getan zu haben? Und dann beginnen die Schuldzuweisungen. Die „Guten“ sagen dies, und die „Bösen“, die natürlich auch zu Wort kommen müssen, sagen das, man kennt alle Argumente. Diskutiert wird nicht, nur die Aussage des anderen wütend abgewertet.

Der Kapitalismus ist schuld, klar, keine Frage, das wird niemand auch nur bestreiten wollen. Da sind die Rechtspopulisten und da die Migranten, da ist die Erderwärmung und da die gnadenlose Ausbeutung der Rohstoffe. Aber was bringt es, immer dieselben Argumente drehen und wenden zu wollen? Das weiß man alles, und es bringt nichts weiter. Und dass es immer schlimmer wird, wenn die Vorräte schmelzen und immer mehr Menschen kommen – das weiß man auch.

Dass es keine Zukunftsperspektiven gibt und die kleine Kommune zusammenbricht, wo doch die Schauspieler doch so brav (und theatermäßig uninteressant) ihre Sprüchlein aufgesagt haben (Bernhard Dechant, Thomas Frank, Nils Hohenhövel, Evi Kehrstephan, Katharina Klar, Christoph Rothenbuchner, Claudia Sabitzer, Dominik Warta) – wie matt, wie müde. Kann das wirklich das einzige Denkergebnis des Stücks sein? Tatsächlich, mehr wird es nicht.

Freilich, ganz am Ende hat man einen Migranten-Chor zusammengestellt und diesen perfekt einstudiert: Wenn sie an der Rampe „Irgendwo, auf der Welt, gibt’s ein kleines bisschen Glück, Und ich träum davon in jedem Augenblick“ singen – ja, dann saust die Emotionskeule nieder. Das ist gut für den Schlußapplaus nach eineinhalb drögen Stunden. Wenn man ein solches Thema aufnimmt, sollte man mehr dazu zu sagen haben als bloß die alt bekannten Argumente.

Renate Wagner

 

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