Fotos: Volkstheater, Marcel Urlaub
IEN / Volkstheater:
ÖL!
Frei nach dem gleichnamigen Roman von Upton Sinclair,
in einer Bühnenfassung von Sascha Hawemann und Anne-Kathrin Schulz
Premiere: 27. Jänner 2023
Mit Öl lassen sich in Kriegszeiten phantastische Gewinne machen.
Ein zweifellos wahrer Satz, der auch für heute gilt. Und auch für Gas. Vielleicht ist Ministerin Leonore Gewessler deshalb zur Premiere von „Öl“ ins Volkstheater gekommen. Das ist schließlich ihr Thema… Ob sie und die anderen Theaterbesucher an diesem Abend Neues erfahren haben, sei dahingestellt.
Zugrunde liegt dem Volkstheater-Abend, der ein typisches Produkt der Kay-Voges-Ära ist (laut, aggressiv, unpräzise) ein Roman des amerikanischen Autors Upton Sinclair (1878- 1968), einem ehrenwerten Sozialkritiker, der seinen Landsleuten immer wieder den Spiegel vorhielt und dennoch hohes Prestige genoß (vom Widerstand, den er erfuhr, ganz zu schweigen – in unseren Augen gereicht er ihm zur Ehre). „Öl“ erschien 1927 und handelt auch, aber nicht nur von Öl, sondern betrachtet es gewissermaßen als die „Schmiere“ des amerikanischen Brutalo-Kapitalismus.
Der Volkstheater-Abend, den Regisseur Sascha Hawemann und Ann-Kathrin Schulz zu einer Art Polit-Nummern-Revue umgestaltet haben, muss das Öl nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch aus unserer Sicht als Umweltfaktor behandeln. Das bedeutet, dass Teile des Romans mit frei erfundenen Szenen abwechseln, die bis in die Gegenwart zielen oder auch (ganz versteht man es ja nicht) in die österreichische Geschichte, wo dann Dollfuß (auf Knien, weil er ja so klein war…) und Leni Riefenstahl im Wiener Becken erscheinen.
Da der Abend es in seiner überdrehten Turbulenz ohnedies nie sonderlich auf Verständnis angelegt hat (es sei denn, er sagt gerade ins Publikum, was man zu denken habe), ist das nur einer der vielen Punkte, wo das Publikum wahrscheinlich aussteigt, ohne den Theaterleuten in ihre wirren Gedanken und Aktionen folgen zu können – Saudi-Arabien, Aserbaidschan, Norwegen, Jugoslawien, Hollywood kommen auch vor, Letzteres mit dem Klagegesang einer Diva über schlechte Rollen, wo man absolut den Zusammenhang nicht begreift (weil die Öl-Mogule in Filme investiert haben? Waren sie schuld an den schlechten Drehbüchern?)
Wenn es um die originale Story des amerikanischen Ölrausches geht, dann darf auf den Spuren von Sinclairs Roman der Öl-Tycoon Arnold Ross (ideal besetzt mit Andreas Beck) in aller Skrupellosigkeit Land kaufen, überall Öltürme aus dem Boden wachsen lassen, Leute über den Tisch ziehen und Millionen machen. Im zweiten Teil des Abends geht es dann um das sehr amerikanische Problem (wir kennen es aus einigen Kinofilmen), wie die schlecht bezahlten und ausgebeuteten Arbeiter ihre Gewerkschaften durchsetzten. Sohn Bunny Ross wäre eigentlich auf der Seite der Schwachen, wird aber vom Vater mit allen möglichen Pseudo-Argumenten niedergehalten.
Das alles führt aber zu sehr von dem weg, worum es den Theatermachern hier und heute geht, weg vom Öl als schädlichem fossilen Brennstoff – abgesehen davon, dass mit Öl (Benzin) die Panzer fahren, die Flugzeuge fliegen, kurz, Öl ist für den Krieg (und wir haben einen, das lässt man uns nicht vergessen – als ob wir es nicht wüssten) wichtig, ja unerlässlich. Pfui. Abgesehen von den Tieren, die zugrunde gehen, die Ozonschicht, die Erderwärmung und was man uns alles noch erzählt. Gerade, dass man zum belehrend deklamierten Ende des Stücks nicht aufgefordert wird, schleunigst hinaus zu gehen und sich auf der Straße fest zu kleben…
Auf einer wie üblich sinnlos voll gerümpelten Bühne (Wolf Gutjahr) wird, wie so oft, auf zwei Ebenen agiert – die riesige Videowand im Zentrum dient nicht nur für viele Dokumentaraufnahmen, sondern auch für das Spiel der Akteure vor der Live-Kamera (Wolf Gutjahr). Unten auf Bühnenbrettern gibt es in buntem Durcheinander Stilisiertes, Slapstickartiges, Choreographiertes oder auch scheinbar Realistisches, oft musikalisch (Live-Musik XELL) fast zur Show erhoben.
Alle spielen alles – Elias Eilinghoff, Frank Genser, Irem Gökçen, Lavinia Nowak, Uwe Schmieder, Samouil Stoyanov, Friederike Tiefenbacher, Und letztendlich geht es ja doch nur um die Botschaft. Seht her, dummes Volk, wie korrekt wir sind! Nehmt Euch ein Beispiel! Was das Premierenpublikum nach durchaus mühevollen zweidreiviertel Stunden mit heftigem Applaus quittierte.
Hoffentlich verkaufen alle jetzt ganz schnell ihre Autos, um nicht Gefahr zu laufen, die Öl-Industrie durch ihren Benzinbedarf reich zu machen. Das wäre wohl das mindeste, was man als Quintessenz des Abends erwarten kann.
Renate Wagner