Foto: Volkstheater / Marcel Urlaub
WIEN / Volkstheater:
MALINA von Ingeborg Bachmann
In einer Bühnenfassung von Claudia Bauer und Matthias Seier
Premiere: 8. September 2023
Was ist „Malina“? Der einzige Roman von Ingeborg Bachmann. Wer ist „Malina“? Vielleicht ein Mann, der diesen seltsamen Namen trägt, vielleicht auch (was immer wieder interpretiert wurde) das männliche Alter Ego des weiblichen Erzählerinnen-Ichs. Dass es sich bei diesem, wenn auch namenlos, um die Bachmann selbst handelt, hat niemand je bestritten.
Eine Autobiographie der anderen Art hat man das Buch genannt, zusammen gestoppelt aus Szenen, die Prosa, Dialog, Briefe, Gedichte, Träume, Alpträume und andere Genres mehr umfassen. Das fügt sich programmatisch nie zur Einheit und erzählt auch nur bedingt eine Geschichte. Im Grunde sind es Zustandsschilderung einer Seele, die wohl zur Qual geboren war.
Was macht man mit „Malina“ ein halbes Jahrhundert nach dem Tod der Autorin? Die Regisseurin Claudia Bauer (etwas übertrieben preisgekrönt für ihren zugegeben amüsanten Jandl-Abend „humanistää!“) hat für Ingeborg Bachmann nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Obwohl es anfangs durchaus überzeugt, wenn eine der Damen (es sind vier und vier Herren, die als geschlossenes Ensemble „alles“ spielen) vor den Vorhang tritt und den berühmten Beginn des Romans rezitiert, wo die Erzählerin die Protagonisten der Geschichte vorstellt. „Ivan“, „Malina“ und „Ich“, Das darf durchaus mit sanfter Ironie geschehen, der im Text steckt.
Text, also Worte und Sprache sind das Medium der Bachmann, daran hätte man sich halten sollen, wenn man in groben Zügen klar machen wollte, was die Autorin vor allem über die Beziehung zu Ivan erzählt hat (An welchem ihrer zahlreichen Liebhaber sie sich da abgearbeitet hat, darüber konnten sich die Interpreten nie einigen). Aber von der Hingabe an Sprache kann nicht die Rede sein.
Die Regisseurin tunkt ihre Inszenierung erstens in so viel Live-Musik, dass man den Text die meiste Zeit nicht versteht, und in so viele Videosequenzen (live und vorgefilmt), dass letztlich der Eindruck einer Show entsteht. Wer das Buch nicht kennt, hat kaum eine Chance, auch nur eine Ahnung davon zu bekommen. Die Videobilder, die schier unaufhörlich auf Riesencontainer auf der Bühne geworfen werden (Bühne Patricia Talacko, Lemuren-Kostümr Andreas Auerbach) beherrschen den Abend – und ermüden sehr schnell. Und die Musical-Show? Die muss jeden musikalischen Menschen in den Wahnsinn treiben, so sehr wird das meist kollektive Gesinge zur (wohl bewussten) Folter… Opfer sind, wie so oft, die großteils jeglicher Individualität beraubten Schauspieler .- so zerfransen sich Evi Kehrstephan, Bettina Lieder, Nick Romeo Reimann, Uwe Rohbeck, Christoph Schüchner, Samouil Stoyanov, Friederike Tiefenbacher, Johanna Zachhuber, letztere mit Sologesang eine besondere Folterknechtin.
Dabei wird die eine oder andere zentrale Szene des Buchs, wenn dann doch auf die Sprache geachtet wird, durchaus klar – wie Ivan etwa die Buchauswahl seiner „Ich“-Partnerin herunter macht, als negativ und destruktiv herabwürdigt. Oder wenn „Ich“ zwar keine Kochbücher findet, wenn sie denn kochen muss, aber die große philosophische Weltliteratur in ihre kulinarischen Bemühungen einflicht. Das ist Bachmann, komisch, aber natürlich auch ernst gemeint.
Doch es fehlt so manches – aus dem quälenden Mittelteil gibt es so kurz, dass es im allgemeinen Trubel versinkt, die Gaskammer-Ängste von „Ich“ und eine Andeutung des dominierenden Vaters, aber diese Auseinandersetzung geht unter wie auch (nachdem Ivan ausführlicher abgehandelt wurde) Titelheld Malina kein Profil gewinnt. Inhaltlich bleibt die Bearbeitung unbefriedigend hinter der Vorlage zurück. Da wäre mehr zu berichten gewesen – und vor allem klarer.
Unheimlich die Vision, als es auf das Ende zugeht, die Idee, sie könne (hier auf einer Herdplatte) verbrennen. Einen ähnlichen Tod hatte das Schicksal zwei Jahre nach dem Erscheinen von „Malina“ für Ingeborg Bachmann bereit…
Am Ende bündelt die Regisseurin negative Aussagen zur Bachmann, die es zu ihren Lebzeiten stets, auch zu diesem Roman, gegeben hat, bevor die Bachmann zur angehimmelten, legendären Erscheinung wurde.
Schließlich tritt das weibliche Ich des Beginns wieder vor den Vorhang und überrascht die Kenner des Romans. Die so berühmt gewordene Schlußzeile „Es war Mord“ ist durch „Ich bin Malina“ ersetzt. Auch nicht sehr überzeugend.
Was hat man zweieinviertel pausenlose Stunden lang gesehen? Zu viel Show bei zu wenig Text. Der Abend transportiert die Qualen der Bachmann in aller Schrille und hängt sie zentnerschwer dem Publikum um. Wer sich darauf einlassen will… Bei der Premiere gab es viel Beifall.
Renate Wagner