14. Dezember, Wiener Volkstheater : „IM WEISSEN RÖSSL“– überdrehtes, galliges, schräges Musiktheater
Sie ist zwar in die Jahre gekommen, die hantige Rösslwirtin aus St. Wolfgang im schönen Salzkammergut. Doch Ralph Benatzkys Singspiel „Im Weissen Rössl“, 1930, eines der erfolgreichsten Bühnenwerke des 20. Jahrhunderts, lässt sich nach wie vor so richtig genüsslich ausschlachten. Kuschelweich auf manch sommerlicher Operettenbühne. Im Wiener Volkstheater jetzt auf schräg. Aber schon total schräg. Hausherr Michael Schottenberg, nicht ganz unerprobt mit persiflierenden Inszenierungen von Operetten, hat als bissiger Bearbeiter mit galliger Fantasie wie als Regisseur mit sicherem Handwerk ein perfekt arrangiertes Spektakel für das intensiv mitgehende Ensemble arrangiert. Dennoch: Am Premierenabend sind nach der Pause einige Sitze leer geblieben, weggespült von dieser Fremdenverkehrssatire in Schräglage. Na ja, auf der Bühne sind schon einige Ungustl unterwegs. Das „Weisse Rössl“ sieht hier nach einem abgewirtschafteten Wiener Vorstadtbeisl, Ambiente 50er Jahre, aus (Bühne: Hans Kudlich, Kostüme: Erika Navas). Mit Tempo, souveränem Timing, mit drastischer Gestik und deftigen, überheblichen, beleidigenden Sprüchen prallen hier heimische Prolos und schnoddrige Deutsche und liebeshungriges dümmliches Jungvolk aneinander. Klar, diese Mixtur geht auf. Und Schottenberg kann immer wieder mit originellen Überraschungsmomenten auftrumpfen. Gut eingebettet, gut angepasst wirken auch die gesanglich weniger souverän vorgetragenen vertrauten alten „Weisse Rössl“-Schlager, von einer Combo mit ebenfalls schrägen Harmonien begleitet. Maria Bill als Rössl-Wirtin in Weichzeichnung und Günter Franzmeier als der sie fahrig anschmachtende Oberkellner Leopold führen die Gesellschaft an. Jeder Typ ist prägnant charakteristisch gezeichnet, alle Schauspieler ziehen spielfreudig mit.
Und wer sich als Besucher in solch überdrehter Schmuddelgesellschaft einigermaßen wohl zu fühlen vermag, kann sich an einem flotten und frechen musikalischen Unterhaltungstheater bestens amüsieren.
Meinhard Rüdenauer