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WIEN / Volkstheater: GESCHICHTEN AUS DEM WIENER WALD

Und wieder eine Stilübung

13.12.2025 | KRITIKEN, Theater

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otos:  Susanne Hassler-Smith

WIEN / Volkstheater:
GESCHICHTEN AUS DEM WIENER WALD
nach Ödön von Horváth und Johann Strauß
Premiere: 12. Dezember 2025

Und wieder eine Stilübung

Ob die Herrschaften auf der Bühne Männlein oder Weiblein sind, ist eigentlich egal – man erkennt sie ohnedies nicht. Alle tragen schäbige lange Röcke (die allerdings beim Tanzen schön schwingen), undefinierbare Oberteile und Halbmasken auf dem Gesicht, (So hat man vor Jahrzehnten griechische und römische Komödien und gelegentlich einen frühen Brecht gespielt.) Es geht offensichtlich um Entmenschlichung und Typisierung, und wieder einmal ist eine Regisseurin (Frauen tun das neuerdings besonders gern) angetreten, um eine Stilübung abzuliefern. Rieke Süßkow durfte sich am Volkstheater, das sie als „Hausregisseurin“ führt, dazu Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ vornehmen. Zu Beginn des Stücks hat ein Fleischhauer das Wort – zerhackt und zerstückelt hat sie das Werk auch.

Ja, und dann ist ja auch noch – Gott sei’s langsam geklagt – Johann-Strauß-Jahr. Schon neulich in der Volksoper musste man sich anhören, wie schrecklich zeitgenössische Interpreten mit seiner genialen Musik umgehen. Hier ist es nun wieder der Fall. Weil Strauß – leider, möchte man sagen – einen seiner schönsten Walzer „Geschichten aus dem Wiener Wald“ genannt hat, muss er nun mitspielen. Unter der musikalischen Leitung von Philipp C. Mayer, der auch an Strauß entlang komponiert (sprich; die Musik verschandelt) hat, begleitet ein kleines Orchester den ganzen Abend, gelegentlich müssen die Darsteller auch singen, und sie bewegen sich in dem auf Mobilität zugeschnittenen Bühnenbild von Mirjam Stängl auch häufig choreographisch (Florian Hurler).

Die Totentanz-Assoziation stellt sich auch zwanghaft ein und ist dem Stück ja nicht so fern. Schließlich geht es um die Zerstörung der jungen Marianne durch eine egozentrische, gleichgültige, seelenlose Gesellschaft. Und wenn sich der Abend mit seinen seltsamen Gestalten im Kreis dreht (wobei das Handwerkliche wieder einmal durchaus gelungen ist), dann kommt schon die tief trübe Stimmung auf, die Horvath allerdings auch erzeugt, wenn man ihn von Echtmenschen spielen lässt…

Es gibt das Stück selbst ja an diesem Abend auch nur bröckchenweise. Bewegung zu Musik und negative körperliche Action sind die Hauptsache. Im übrigen wurden aus dem Original Dialogstellen heraus gebrochen, die rudimentär etwas von der Handlung wiedergeben, wobei die Sprache so verfremdet wird wie die Erscheinung der Darsteller.

Man kann davon ausgehen, dass der durchschnittliche Wiener Theaterbesucher die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ schon ein paarmal gesehen hat, weil das Stück als Horvaths populärstes regelmäßig auftaucht (zuletzt sehr schlecht im Burgtheater), aber wer das Pech hat, das Werk nicht zu kennen, dürfte in Ratlosigkeit versinken.

In dieser Inszenierung werden die Qualitäten der Personenzeichnung, der Interaktion, der Atmosphäre (die, siehe die Großmutter-Szenen, teils grauenvoll ist) dem Stilwillen geopfert, der für Regisseure den Vorteil hat, im Feuilleton ausführlich beachtet zu werden. Ums Publikum muss man sich ja wirklich nicht bekümmern.

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Was die Besetzung betrifft, die keinem Darsteller sein genuines Gesicht lässt, also ihm Sprache und Körpersprache abfordert, ist wieder auf die wildeste Art „genderfluid“ verfahren worden. Opfer Marianne, die ein zartes Mädchen sein müsste, wird von Maximilian Pulst, ein „Restl“, wie man in Wien sagt, mit unverstellter Männerstimme verkörpert. Auch Andrej Agranovski ist alles andere als zart, aber für die Valerie kann man sich das eher vorstellen. Dafür ist Aleksandra Ćorović ein wahres Zniachterl, und solcherart auch nicht unbedingt ein Alfred, aber um Glaubwürdigkeit geht es da ja nicht.

Manche wichtige Figuren wie Oskar (Karoline Marie Reinke) gehen ganz, andere wie der Zauberkönig (Katharina Kurschat) halb verloren. Und dass alles, was dieser Theaterabend an Schrecken verursachen möchte, von großen Darstellerinnen der Großmutter (hier Nick Romeo Reimann) sozusagen wie nix vermittelt wurde, sei nur nebenbei vermerkt. Paula Nocker wird sich auch fragen, ob sie von der Josefstadt weggegangen ist, um die paar Sätze des Rittmeisters und die paar Worte der Zuhälterin von sich zu geben. Sanna Schmid . Stine Kreutzmann und Claudia Sabitzer sind Staffage.

Das Publikum klatschte heftig, Widerspruch gab es keinen. Horvath und Johann Strauß mögen hier zwar stark beschädigt worden sein, aber sie werden es überleben. Dies und hoffentlich noch viele andere Inszenierungen, die nichts weiter als Stilübungen abliefern, die einem Regisseur halt so durch die Rübe rauschen…

Renate Wagner    

 

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