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WIEN / Volkstheater: DIE POLITIKER

03.09.2021 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Volkstheater

WIEN / Volkstheater: 
DIE POLITIKER von Wolfram Lotz
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 3. September 2021 

Keine Spur von königlicher Höflichkeit war im Volkstheater zum Einstand der Ära Kay Voges zu bemerken. Ohne Entschuldigung begann die Premiere von „Die Politiker“ von Wolfram Lotz mit 20 Minuten Verspätung. Hundert Minuten danach klatschte das Publikum ohne Widerspruch und zeigte, dass es nichts Besseres verdient hatte als das Gebotene.

Wer vom Theater etwas mehr verlangt als Wortspielereien und inszenatorische Mache, wird allerdings der Ära Voges nun mit noch mehr Sorge entgegen sehen als bisher. Man würde gerne hören, mit welchen Worthülsen etwa die Verantwortliche, Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, diesen Abend zu einem Ereignis hochjubeln wollte…

Es beginnt schon mit dem preisgekrönten Wolfram Lotz („eine der aufregendsten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsdramatik“, wie man liest), der ein besonderer Liebling von Karin Bergmann am Burgtheater war, Man kennt also sein willkürliches Jonglieren mit der Sprache, das allerdings noch nie so „Pseudo-Jandl-Jelinek-Was lässt ihr euch alles gefallen?“ auf das Publikum zugekommen ist wie hier. Übrigens – grottenlangweilig schon nach kürzester Zeit.

Unnötig zu erwähnen, dass man im allgemeinen Geschrei, das da entfesselt wird, in den Brocken von Text, nichts über Politiker erfährt. Eher darüber, wofür man heutzutage Preise bekommt… Wer hier besonderen Sinn, besonderen Witz, besondere Erkenntnisse herauslesen möchte, ist selbst schuld.

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Den Rest besorgt Regisseur Kay Voges in Zusammenarbeit mit Video-„Künstlern“ – und das sind sie wirklich: Live-Video Manuel Bader, Video Art, Live-Schnitt Max Hammel, Video Art, Deep Learning Marvin Kanas, wahrscheinlich muss man für den Endeffekt auch einen Director of Photography Voxi Bärenklau, Roboter-Programmierung Mauritius Luczynski, Lightdesign Paul Grilj, Sounddesign Sebastian Hartl und Michael Sturm nennen. An der Logistik ist nichts auszusetzen – an der Sinnhaftigkeit sehr wohl. Denn sie entfesseln ein ununterbrochenes Inferno, das den Nachteil hat, auch nach kürzester Zeit langweilig zu werden, obwohl es in seinen Bemühungen, den Theaterbesucher ohne Unterlass von allen Seiten mit Bild- und Tonfluten zu überschütten, nie nachlässt.

Es beginnt damit – auch keine Neuigkeit, so wenig wie alles andere Gebotene -, dass die Theaterzuschauer sich selbst auf der „Leinwand“ sehen, die Videokamera ist unterwegs, und nach und nach dreht sich das Bild, ja, das Volkstheater steht am Kopf, und das ist vielleicht die einzige echte Pointe des Abends.

Denn dann beginnt, was sicher kein „Stück“ ist, bestenfalls eine Selbstzweck-Performance, die mit vielen Stroboskop-Effekten und wahrem Höllenlärm schrecken möchte. 13 Darsteller, vier Damen, neun Herren, sind aufgeboten, den Text bei dauernden Wiederholungen zu schreien, zugegeben mit einigen Differenzierungen. Man sollte zählen, wie oft sie „die Politika“ sagen, die Betonung auf dem finalen „a“ oder auch, zur spaßigen Abwechslung, auf dem „o“. Sinnfrei bleibt alles, was da von sich gegeben wird.

Die Aufopferung der Herrschaften, die in irgendwelchen weißen Kitteln (Kostüme: Mona Ulrich) auf der Drehbühne (Michael Sieberock-Serafimowitsch) herumirren, wurde zwar bei dieser seltsamen Premiere beim Schlußapplaus belohnt, aber man fragt sich angesichts der lächerlichen Erfordernisse, die sie (durchaus mit Kunstfertigkeit) erbringen müssen, was heute am Beruf des Schauspielers noch interessant sein kann. Schreiende Marionetten in der Hand eines Regisseurs zu sein, der einfach eine ohrenbetäubende Show liefern will, Texten ausgeliefert, die mit Sicherheit nichts sagen?

Doch es sei wiederholt, offenbar empfanden viele Besucher den Abend nicht als die Katastrophe, die er wohl war, und so mag sich Kay Voges bemüßigt fühlen, in diesem Stil weiter zu machen. Nach fünf Jahren Badora nun das – die Besucher des Volkstheaters haben es gewiß nicht leicht. Wenn ihnen nach dieser Zumutung nicht ohnedies gleich die Lust auf weiteres vergeht.

Renate Wagner


 

V o l k s t h e a t e r
Premiere: 3. September 2021

Wolfram Lotz
DIE POLITIKER
Österreichische Erstaufführung

mit
Andreas Beck
Rebekka Biener
Bettina Lieder
Lavinia Nowak
Nick Romeo Reimann
Gitte Reppin
Uwe Rohbeck
Uwe Schmieder
Christoph Schüchner
Samouil Stoyanov
Stefan Suske
Friederike Tiefenbacher
Anke Zillic

Live-Musik Dana Schechter Paul Wallfisch
Live-Video Manuel Bader

Regie Kay Voges
Bühne Michael Sieberock-Serafimowitsch
Musik Paul Wallfisch
Kostüm Mona Ulrich
Director of Photography Voxi Bärenklau
Video Art, Live-Schnitt Max Hammel
Video Art, Deep Learning Marvin Kanas
Roboter-Programmierung Mauritius Luczynski
Lightdesign Paul Grilj
Sounddesign Sebastian Hartl Michael Sturm
Dramaturgie Anne-Kathrin Schulz

 

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