Foto: Volkstheater / Nikolaus Ostermann
WIEN / Volkstheater:
DER THEATERMACHER von Thomas Bernhard
Wiederaufnahme: 6. Oktober 2021
Kay Voges hat sich Ende der letzten Saison in dem nunmehr „seinem“ Volkstheater, wo er wegen Restaurierung (die mäßig gelungen ist) und Covid nur bröckchenweise spielen konnte, mit seiner Dortmunder Inszenierung von Thomas Bernhards „Theatermacher“ eingestellt. Vermutlich kennt er die Vorliebe der Wiener, der Österreicher, sich gerade von diesem Dichter beschimpfen zu lassen.
Wobei es bei diesem Stück nicht ganz so schlimm ist wie sonst – die grimmigen Tiraden des Theatermachers Bruscon richten sich sozusagen gegen Gott und die Welt im allgemeinen und gegen das Theater im besonderen. Bernhard wusste schon, worüber er sich ärgerte. Sähe er diese Kay Voges-Inszenierung, so könnte man sich vorstellen, dass er in seinem Grinzinger Grab rotiert… Duldsam war er ja wirklich nicht.
Das Volkstheater unter Voges überreicht jedem Zuschauer gratis ein zusammen gefaltetes Blatt als Programm – sehr praktisch, Besetzung, ein paar Fotos und doch etwas zu lesen. Diesmal ereifert sich Dramaturg Matthias Seier über die absolute Sinnlosigkeit der Sozialen Medien, was man ihm nachfühlen kann. Aber dennoch scheint es, als würde die Inszenierung von Kay Voges gerade in diesem Zusammenhang als „zeitgenössische“ Version des Werks angeboten. Das schrecklich aufgebläht hier fast zweidreiviertel Stunden ohne Pause (!) dauert. Weil Kay Voges so viel eingefallen ist. Nicht zum Stück, sondern für seinen eigenen Ruhm (es gab allerdings sowohl in Dortmund wie in Wien auch Verrisse…)
Der „zeitgemäße“ Thomas Bernhard wirkt am Anfang wie ein konventioneller Thomas Bernhard, nur ein bisschen schlechter, als man ihn gewohnt war – von Traugott Buhre, Josef Bierbichler, Wolfgang Hübsch und Otto Schenk, die diese Rolle in Wien gespielt haben. Andreas Beck in der Titelrolle will offenbar nicht deklamieren (was als Notwendigkeit im Text steckt), aber als Parlando wirkt er ziemlich unakzentuiert und ohne Nachdruck.
Das ändert sich, als man nach etwa eineinviertel Stunden mit der Sache einmal durch ist – denn nun folgen die Voges-Variationen zu dem Thema, wobei er einige Eckpunkte immer wiederholt (von der Blutwurst bis, natürlich, zu Hitler). Die Schauspieler wechseln alle Rollen, die angewandten Stile (von Kino bis Musical, von Sci-Fi bis Rock-Oper) münden in eine Art Happening, wenn dann auch das Blutwurst-Blut (allerdings eher dezent) verschmiert wird. Die Frauen kommen kurzfristig im allgemeinen Chaos an die Macht, und am Ende wird ins Publikum gebrüllt: „Ihr habt das Theater ruiniert!“ Falsch, wir waren das nicht. Da gibt es andere, die das für sich in Anspruch nehmen dürfen.
Foto: Volkstheater / Birgit Hupfeld
Andreas Beck, der in dem Dostojewski-Abend beeindruckt hat, blieb wie erwähnt als Bruscon unter den Möglichkeiten der Rolle. Die anderen Darsteller verwandelten sich wacker und aufopfernd – Anna Rieser, Anke Zillich, Nick Romeo Reimann –, aber eigentlich war nur Uwe Rohbeck richtig komisch, als er (Rollenwechsel) vom Wirten zum Bruscon der anderen Art wurde. Da hatte das Geblödel Substanz.
Was an dem Ganzen jedoch verärgert, ist der mangelnde Respekt vor dem Autor. Spielte man ihn richtig, wäre er giftiger und böser als alles, was sich Voges an Selbstzweck- Sperenzchen ausgedacht hat. Immerhin, Bernhard zieht immer – das Volkstheater (diesmal waren beide Ränge vorsichtshalber geschlossen) wirkte nicht ganz so leer wie sonst…
Renate Wagner
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Volkstheater
6.Oktober 2021
DER THEATERMACHER
Eine Künstlerkomödie von Thomas Bernhard
Regie Kay Voges
Bühne Daniel Roskamp
Kostüm Mona Ulrich
Komposition und Arrangement Fink von Finckenstein
Video-Art Mario Simon
Dramaturgie Matthias Seier
Bruscon, Theatermacher Andreas Beck
Frau Bruscon, Theatermacherin Anke Zillich
Ferruccio, deren Sohn Nick Romeo Reimann
Sarah, deren Tochter Anna Rieser
Der Wirt Uwe Rohbeck