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WIEN / Volkstheater-Bezirke: STELLA

10.05.2017 | KRITIKEN, Theater

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Foto: lupispuma.com

WIEN / Akzent, Aufführung des Volkstheaters-Bezirke:
STELLA von Johann Wolfgang Goethe
Premiere: 28. April 2017,
besucht wurde die Vorstellung am 10. Mai 2017

Mit den „heiligen Gütern der Nation“ haben wir es heutzutage nicht mehr so, und Humor ist ja nicht verboten. Trotzdem macht der entfesselte und primitive Klamauk, den Regisseur Robert Gerloff (bei seinem Wien-Debut) zu Goethes „Stella“ für die Außenbezirksaufführung des Volkstheaters entfesselt, nicht glücklich. Dass man das Stück lockerer nimmt – nichts dagegen zu sagen. Dass man exzessives, modernistisches Geblödel daraus macht, bedeutet wieder einmal, ein Original zu verschenken.

Denn gar so lustig ist es ja nicht gemeint. Goethe war als Mann in ausreichend Beziehungsgeschichten verstrickt, um psychologisch genau und fast gnadenlos die Geschichte des Mannes zwischen zwei Frauen auszubalancieren – zumal, wenn beide Damen als Menschen „wertvoll“ genug sind, dass eine Entscheidung nicht auf der Hand liegt. Da mag in den Illusionen, die man sich auf allen Seiten macht, durchaus Humor drinnen stecken. Auch die Lösung macht lächeln, dass Goethe damals (er war noch jung, 26, als er sich die Erstfassung erträumte) für möglich hielt, einen Mann, der kein Moslem ist, mit zwei friedlichen Frauen nebeneinander glücklich werden zu lassen… für diese gesellschaftliche Revolution war die Mitwelt nicht reif.

Dennoch, zum Verjuxen ist das Stück zu schade, das den unsteten Ferrando plötzlich mit den Frauen konfrontiert, die er beide verlassen hat – zuerst Gattin Cäcilie mit der inzwischen herangewachsenen Tochter Lucie, dann seine Geliebte Stella. Beide an einem Ort wieder zu treffen und dann vor der klassischen Entscheidung zu stehen, ist ein vielen Menschen bekanntes Problem und gar nicht lustig. Aber genau so geht Robert Gerloff mit dem Stück um, ein deutscher Regisseur, den das Volkstheater in seinem Pressetext als „Spezialist für komödiantische Lesarten und entfesselte Figuren“ bezeichnet – man hat also gewusst, was man einkauft, mitsamt der zwanghaft „lustigen“ Ausstattung (Bühne Gabriela Neubauer, Kostüme Johanna Hlawica, dazu Musik Cornelius Borgolte, der sich an Wagners Siegfried-Hornrufen, Beethoven-Symphonien und Unterhaltungsmusik bediente).

Hier herrscht einen mühsamen Abend lang überdrehte Unnatur, man produziert ununterbrochen falsche Töne, falsche Aktionen, musikalische Einlagen, und nur, wenn man selten genug den originalen Text einfach sprechen und wirken lässt, zeigt sich, wie stark dieser eigentlich ist.

Als Stella ist Hanna Binder so hübsch, wie man es sich nur wünschen kann, so ausgelassen, wie der Regisseur es verlangt, sie hat nur leider eine hässliche Stimme und eine unschöne Sprache, was dem Zaubergeschöpf dann den Zauber nimmt. Aber sie ist in diesem Rahmen ja ohnedies nur (und das ist als Reduktion gemeint) eine Komikerin…

Bettina Ernst spielt Cäcilie, die in ihrer Liebe zu Ferrando hier auch nur komisch sein soll, ebenso wie ihre großäugige Tochter Sofie Gross. Zwischen all den Damen steht Andreas Patton, den man eigentlich nicht unbedingt als den Liebhaber-Typ betrachten würde, vor dem alle Frauen schmachtend in die Knie gehen…

Von den Nebenrollen muss Doris Weiner als Postmeisterin noch am wenigsten Jokus machen, Günther Wiederschwinger in zwei Rollen mehr, und was Constanze Winkler als mannigfaltige weibliche und männliche Bediente abziehen muss, geht auf keine Kuhhaut (und ihr Auftritt als „Goethe“, der das Happyend erklären soll, auch nicht).

Das Publikum im weniger als halb gefüllten Saal des Akzent machte sich nicht viel aus Goethe, kicherte gelegentlich und klatschte.

Renate Wagner

 

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