Foto: Volkstheater
WIEN / Volkstheater, Bezirke:
MUSKETIERE von Calle Fuhr
frei nach Motiven von Alexandre Dumas
Uraufführung
Premiere: 18. Februar 2022,
besucht wurde die Vorstellung am 5, März 2022 in Hietzing
Also viel von den drei Musketieren des Alexandre Dumas, die ja bekanntlich vier sind, ist nicht übrig geblieben in der Außenbezirks-Vorstellung des Volkstheaters. Calle Fuhr, hier sozusagen als All-Verantwortlicher eingesetzt, besetzt sich selbst auch tüchtig als Autor und Regisseur.
Von den berühmten Abenteuern der Herren im 17. Jahrhundert, die mit Kardinal Richelieu im Clinch lagen, gibt es rein gar nichts. Wir begegnen erst einmal den ursprünglichen dreien, die sich nach einer Trennung wieder zusammen gefunden haben und ziemlich jammerlappig agieren. Was Athos da über das Verlassen-Werden durch Papa erzählt, schluchzte man im 19. / 20. Jahrhundert beim Psychiater auf dem Sofa, aber nicht ein gestandener Mann seiner Epoche, der mit dem Degen kämpft…
Aber Calle Fuhr will ja ohnedies nicht die Geschichte erzählen, sondern eine kleine Politparabel. Läse man es nicht im Programmheft nach, käme man allerdings nicht auf die Idee, dass es sich um ein Bashing der Grünen handelt, die durch die Regierungsbeteiligung ihre Ideale verraten haben, und man müsste sich auch ziemlich das Gehirn verdrehen, um darauf zu kommen.
Fakt ist – nachdem Athos, Aramis und Porthos ihre Seelen-Weh-Wehchen leider nicht nur ausgesprochen, sondern auch ausgesungen haben, kommt d’Artagnan zurück, der sie verlassen hat, um in die Politik zu gehen (was sie ihm nicht verzeihen können, auch wenn seine Motive angeblich noch so edel waren). Nun geht es um Loyalität und Zusammenhalt, auch wenn die Überzeugungen ziemlich angespannt werden (soll man oder soll man nicht?), aber so richtig happy endet es nicht, wie die Geschichte überhaupt keine echte Substanz hat.
Gehalten ist sie in Knittelversen, teils abenteuerlichen (reime „Schnurz“ auf „kurz“ und Ähnliches in solcher Preisklasse), meist wackelig und in Gegenwartssprache. Und leider besteht ein gerüttelter Teil des Abends aus Musik von Finck von Finckenstein (Künstlernamen gibt es!), wobei die Darsteller dann in Mikros „belten“ und die Verständlichkeit des Textes verloren geht (was kaum ein großer Verlust sein dürfte).
Immerhin, die Schauspieler bringen es größtenteils. Dass zwei der Musketiere Frauen sind (weshalb eine, Aramis, sich lang und breit über das Gendern auslassen darf), ist heute schon eine Selbstverständlichkeit. Immerhin dominieren in dem Trio der Athos des Luka Vlatkovic und der Porthos des Martín Peñaloza Cecconi, beide glänzende Sprecher, was ein Vergnügen ist, aber im Vergleich die Frau Aramis von Runa Schymanski sprachlich doch um einiges abstürzen lässt. Rebekka Biener, die Madame d’Artagnan, kann es dann wieder, das blitzende Fechten mit Worten.
Vor einem Hintergrund, der ein wenig an die Gloriette erinnert (Bühne Patrick Loibl), sorgt Calle Fuhr für den flotten Ablauf – viel kann er nicht tun, denn eine richtige Handlung hat er seinen Musketieren ja nicht gegeben.
Was ist der Nutzeffekt eines solchen Abends? Ein 80minütiges Mini-Musical mit holprigen Versen anstelle eines echten Stücks. Das ist der von der Kulturstadträtin versprochene Fortschritt der neuen Volkstheater-Direktion? Das „neue“ Publikum, auf das man vielleicht wartet, ist nicht erschienen. Und die wenigen Leute, die ihr Abo noch nicht gekündigt haben und versprengt im Saal saßen, müssen sich damit zufrieden geben, was man ihnen bietet.
Renate Wagner